Trend zur Urne verändert Bild der Friedhöfe

Trend zur Urne verändert Bild der Friedhöfe
Der Anteil der Urnenbestattungen hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Bestatter, Friedhofsgärtner und Steinmetze suchen nach Wegen, auf diese Veränderungen zu reagieren.
29.10.2010
Von Petra Albers

An den "stillen Feiertagen" im November werden wieder hunderttausende Menschen die Gräber ihrer Angehörigen besuchen. Doch das Bild der Friedhöfe hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt: Waren früher in Deutschland Erdgräber nahezu selbstverständlich, so sind sie inzwischen auf dem Rückzug. Die Hälfte aller Bestattungen bundesweit sind Urnenbeisetzungen, schätzt die Verbraucherinitiative Aeternitas. Das hat Auswirkungen auf alle, die vom Tod leben. "Seit etwa zehn Jahren befindet sich eine der traditionsreichsten Branchen in einem dramatischen Umbruch", sagt etwa Kerstin Gernig, Sprecherin des Bundesverbands Deutscher Bestatter in Düsseldorf. 

Veränderung der Bestattungskultur

"Urnenbestattungen sind im Norden Deutschlands häufiger als im Süden, und in Städten häufiger als auf dem Land", weiß Aeternitas-Sprecher Alexander Helbach. Für die Veränderung der Bestattungskultur sehen Experten mehrere Ursachen. Eine ist das Geld: Ein Urnengrab ist kleiner und damit günstiger als ein Erdgrab. Bei den Kosten kommt es außerdem darauf an, wo jemand bestattet wird. Denn die Friedhofsgebühren schwanken extrem von Stadt zu Stadt.

Der Zeitaufwand für die spätere Pflege von Urnengräbern ist geringer oder entfällt sogar ganz - oft ein entscheidender Punkt, wenn die Hinterbliebenen nicht in der Nähe wohnen oder ein Verstorbener gar keine Angehörigen hat. Zudem verliert in Zeiten nachlassender kirchlicher Bindungen die christliche Tradition der Erdbestattung an Bedeutung. Ein zunehmendes Interesse gibt es dagegen bei Naturbestattungen: Friedwälder, in denen die Asche Verstorbener unter einem Baum beigesetzt wird, werden immer beliebter.

Der gesellschaftliche Wandel hat die Arbeit der Bestatter verändert. "Sie sind zu modernen, trauerpsychologisch geschulten Dienstleistern geworden", sagt Verbandssprecherin Gernig. Während früher die Beerdigung und der Sargverkauf im Vordergrund standen, werde heute die Beratung immer wichtiger. Das gehe von der Bestattungsvorsorge bis zur Trauerbegleitung. "Früher war meist der Pfarrer der erste Ansprechpartner für die Hinterbliebenen, heute ist es oft der Bestatter", erläutert Gernig. Auf Wunsch übernimmt er Formalitäten, von der Abmeldung bei Ämtern bis zur Wohnungsauflösung. Einige Unternehmen bieten auch Trauergruppen oder -reisen an.

"Menschen brauchen einen Ort der Trauer"

Durchschnittlich 20 Prozent der Bestattungen erfolgen nach Schätzung von Aeternitas anonym - kein Grabstein und keine Gedenktafel erinnert an die Toten, deren Urnen auf den Friedhöfen oft unter einer schmucklosen Rasenfläche liegen. In Großstädten ist der Anteil anonymer Beisetzungen teilweise noch höher, in Berlin liegt er bei 40 Prozent. Manchmal wird eine anonyme Bestattung nach Angaben von Aeternitas als Zeichen des Protests dagegen gewählt, dass auch Urnen in Deutschland nur auf Friedhöfen bestattet werden dürfen. In vielen europäischen Ländern sei dies anders.

Im Nachhinein kämen Angehörige mit einer anonymen Bestattung häufig nicht zurecht, sagt Gudrun Aßmus, Sprecherin des Bundesverbands Deutscher Steinmetze. "Oft sieht man auf den Grasflächen Blumen liegen oder Kerzen stehen. Das zeigt, dass Menschen einen Ort der Trauer brauchen." Der Verband wirbt deshalb für individuelle Grabstellen auch bei Urnenbeisetzungen, da diese wichtig seien für die Trauerbewältigung.

Gärtnerbetreute Grabfelder

Ähnlich argumentieren die Friedhofsgärtner, die aufgrund kleinerer Grabflächen weniger Arbeit haben. "Die Aufträge für Gestaltung und Pflege gehen zurück und damit auch der Umsatz", sagt Martin Walser, Geschäftsführer des Landesverbands Gartenbau Rheinland. Die Gärtner bieten deshalb gerne Urnengemeinschaftsgräber an, die größere Gestaltungsflächen bieten. Zudem setzen sie auf sogenannte Gärtnerbetreute Grabfelder. Dabei übernehmen die Gärtner statt der Kommune die Pflege von Wegen, Bäumen und Rasen auf dem Friedhof.

Auch bei der Sargindustrie schlagen sich die gesellschaftlichen Veränderungen auf den Umsatz nieder. Zwar sei die Menge der verkauften Särge unverändert, aber der Anteil billiger Produkte habe zugenommen, sagt der Geschäftsführer des Branchenverbands, Siegfried von Lauvenberg. "Für eine Einäscherung wählen die Angehörigen in der Regel natürlich keinen hochwertigen Sarg, zum Verbrennen reicht auch ein günstiger."

dpa