Die Vermittlungsgespräche zu Stuttgart 21 werden künftig live übertragen. Das nächste Treffen an diesem Freitag könne im Fernsehsender Phoenix (ab 9.15 Uhr) und als Phoenix-Livestream im Internet (sowie ab 9 Uhr bei heute.de) verfolgt werden, kündigte Schlichter Heiner Geißler am Dienstag in Stuttgart nach einem Treffen mit Befürwortern und Gegnern des Bahnprojekts an: "Es handelt sich um eine Innovation."
Unterdessen ist ein Untersuchungsausschuss im Landtag zum heftig kritisierten Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Gegner am 30. September so gut wie sicher. Die SPD-Fraktion beschloss, einen entsprechenden Antrag zu stellen.
CDU beim Schlichtungsverfahren uneins
In der CDU gehen die Meinungen über das Schlichtungsverfahren weit auseinander. Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) sieht in den Gesprächen eine gute Möglichkeit, die Bevölkerung mitzunehmen und einzubinden. Dagegen fordert Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), zu gefassten Beschlüssen zu stehen, statt einer "Stimmungsdemokratie nachzugeben".
[linkbox:nid=23747;title=Fotogalerie]
De Maizière kritisierte die Schlichtung, die am vergangenen Freitag unter Leitung des ehemaligen CDU-Generalsekretärs Geißler begonnen hatte: "Es kann ja auch nicht sein, dass die handelnden Politiker die Idioten sind, und die ehemaligen Politiker sind die Heiligen", sagte er im ZDF-"Morgenmagazin". Schlichtung könne kein Maßstab für solche Großverfahren sein. Für Stuttgart 21 habe es umfangreiche Planungen mit Bürgerbeteiligung gegeben. "Dann muss das gelten und durchgesetzt werden", sagte de Maizière. Geißler verbat sich Störfeuer aus Berlin.
Der Bundesinnenminister kritisierte auch die Proteste in Stuttgart: "Was mir Sorgen macht, ist die Senkung der Gewaltschwelle bei den Demonstranten." Wenn Tausende von 13-jährigen Schülern von ihren begüterten Eltern Krankschreibungen bekämen um zu demonstrieren, dann sei das ein "Missbrauch des Demonstrationsrechts".
"Offenbarungseid des Verfassungsministers"
Der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir erwiderte: "Es ist ein trauriger Offenbarungseid, wenn ausgerechnet der Verfassungsminister der Republik Menschen beschimpft, die in Stuttgart ihr durch das Grundgesetz verbriefte Recht auf Demonstrations- und Meinungsfreiheit in friedlicher Form wahrnehmen. Gerade Schüler und Jugendliche sollten darin unterstützt werden, ihre Rechte als demokratische Bürger zu kennen und auch aktiv auszuüben."
Mappus sagte, viele Bedenken gegenüber dem Bauvorhaben könnten durch die laufende Schlichtung ausgeräumt werden: "Ich bin mir sicher, dass man bei etwa 40 bis 50 Prozent der Themen durch die Fakten das Ganze objektiv beleuchten kann. So dass auch jeder - egal wo er steht - sagen kann: Die Argumente sind nachvollziehbar."
Der Ministerpräsident wandte sich gegen einen Volksentscheid über Stuttgart 21: "Ich war, bin und bleibe ein Anhänger der repräsentativen Demokratie." Viele komplexe Fragen wie der Umbau des Bahnhofs und die neue Schnellbahntrasse könnten nicht einfach mit Ja oder Nein zur Abstimmung gestellt werden. Die oppositionelle SPD mache es sich zu einfach, indem sie sage: "Wenn der Boden etwas heiß wird, kippe ich 15 Jahre Planung weg und mache einen Volksentscheid."
Untersuchungsausschuss kommt - Mehrheit für Baustopp
Über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses soll der Landtag nach Willen der SPD am 27. Oktober abstimmen. Dafür ist ein Viertel der Stimmen nötig. Die SPD verfügt über 38 der insgesamt 139 Mandate und stellt damit mehr als ein Viertel. Der Ausschuss soll nach SPD-Ansicht bis zum 31. Januar kommenden Jahres aufklären, wer die politische Verantwortung für den Polizeieinsatz im Stuttgarter Schlossgarten trägt. Dabei waren hunderte Demonstranten durch den Einsatz von Wasserwerfern, Schlagstöcken und Pfefferspray verletzt worden.
Einer repräsentativen Umfrage für das Hamburger Magazin "Stern" zufolge ist mehr als die Hälfte der Deutschen (53 Prozent) dafür, dass die Arbeiten am Stuttgarter Hauptbahnhof gestoppt werden. Demnach erklärten nur 33 Prozent der Bürger, die Arbeiten sollten wie geplant fortgesetzt werden; dieser Ansicht sind mehrheitlich die Wähler von Union und FDP. 14 Prozent der Befragten äußerten sich unentschieden.