Ehrenamtlich Aktive: Wenig Ehre, viel Frust

Ehrenamtlich Aktive: Wenig Ehre, viel Frust
Millionen Menschen engagieren sich in Deutschland ehrenamtlich in der Kirche, in Verbänden und Vereinen. Dabei erwarten sie in der Regel, dass das Ehrenamt ihnen auch Spaß macht. Stattdessen müssen ehrenamtlich Aktive oftmals auf Ärger und Konflikte gefasst sein.
18.10.2010
Von Karsten Packeiser

Knapp über den rheinhessischen Weinbergen hängen dicke graue Wolken, als Andreas Ranke im Nieselregen über den Hof hinter dem Dienheimer Rathaus schlendert. Zwei verwahrloste Anbauten haben der Historiker und seine Mitstreiter in den Jahren seit 2001 hergerichtet und darin ein Heimatmuseum eröffnet. "Das waren 8.000 Stunden ehrenamtliche Arbeit", rechnet Ranke vor.

Besucher des 2.000-Seelen-Orts südlich von Mainz können sich in dem Museum historische Weinabfüllanlagen ansehen, alte Vorderladergewehre der Bürgerwehr und eine Ausstellung über die Römerzeit in Dienheim. Freude an seiner Arbeit hat Ranke allerdings schon lange nicht mehr. "Ich bin froh, wenn das alles abgewickelt ist", sagt der Enkel des früheren Bundespräsidenten Gustav Heinemann.

Politiker würdigen in Festreden gern die große Bedeutung des Ehrenamts. Tatsächlich engagieren sich Millionen Menschen in der Bundesrepublik ehrenamtlich in ihrer Freizeit, in Kirchengemeinden, Sportvereinen, Umweltgruppen. Dabei erwarten sie in der Regel, dass das Ehrenamt ihnen auch Spaß macht.

Frust und Enttäuschung bei ehrenamtliche Initiativen

Die persönliche Freude an einer Aufgabe ist nach Angaben des jüngsten Freiwilligen-Surveys der Bundesregierung für ehrenamtlich Engagierte sogar wichtiger, als die Vorstellung, dem Gemeinwohl zu dienen. Doch in der Wirklichkeit läuft nicht immer alles so, wie tatendurstige Bürger sich das vorstellen.

Das Heimatmuseum in Dienheim ist ein Paradebeispiel dafür, wie ehrenamtliche Initiativen in Frust und Enttäuschung enden können. Von Seiten der Lokalpolitiker habe es während der vergangenen Jahre "bestenfalls Ignoranz oder Ablehnung" gegeben, ärgert Ranke sich. Schlimmer noch sei aber, dass die Zukunft des Museums seit Jahren unsicher sei. Denn die Gemeinde würde das Museumsgrundstück am liebsten verkaufen und die Heimatforscher auf die Straße setzen, sagt der Museumsgründer.

Hinzu kam gewaltiger zwischenmenschlicher Krach im Förderverein. Ein abtrünniger Heimatforscher eröffnete schließlich auf seinem Grundstück ein privates Konkurrenzmuseum. "Wenn die zusammenarbeiten würden, wäre das ein Top-Team", seufzt Bürgermeister Norbert Jochem. Er stellt die Beziehungen zwischen seiner Verwaltung und den Museumsleuten etwas anders dar als Ranke. Was allerdings künftig mit dem Grundstück geschehen werde, sei offen, bestätigt er.

Kleinkrieg zwischen Pfarrer und Ehrenamtlichen

Der Frust von Ehrenamtlichen gehört für Gerd Bauz, den zentralen Konfliktbeauftragten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, gewissermaßen zum Alltag. "Wer Verantwortung hat, kommt auch manchmal in eine Krise", weiß er.

Die Gründe für Ärger zwischen ehrenamtlich Engagierten in Kirchengemeinden lägen auf der Hand: "Die Kirche ist im Umbruch, es gibt Veränderungszwänge, aber immer weniger Ressourcen und Zuspruch." Bauz wird zur Hilfe gerufen, wenn zwischenmenschliche Antipathien einen Kirchenvorstand lähmen oder ein Kleinkrieg zwischen Pfarrer und Ehrenamtlichen tobt.

"Das Christliche mit seiner Harmonietendenz ist nicht förderlich, um Konflikte sachlich auszutragen", glaubt er. Als Folge würden Streitigkeiten oft so lange verschleppt, bis die beteiligten Personen überhaupt nicht mehr miteinander reden könnten. Manche Konflikte ließen sich nur noch auflösen, indem einer der Beteiligten in eine andere Gemeinde wechsele.

"Nimbus des Schönen und des Guten"

Ein guter Informationsfluss zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen und die sinnvolle Verplanung der vorhandenen Helfer könne dazu beitragen, solche Extremfälle zu vermeiden. Wer Fähigkeiten und Fachwissen seiner Mitstreiter anerkenne, könne leichter damit leben, wenn ihm jemand nicht so sympathisch sei, rät er. Ein Ehrenamt mache dann Freude, wenn jemand das tun dürfe, was er gerne tun wolle und könne.

"Man sollte sich gut anschauen, was zu einem passt und nicht eine beliebige Lücke ausfüllen, wenn man darum gebeten wird", rät auch Birgit Pfeiffer, ehrenamtliche Präses der Mainzer Dekanatssynode.

Umgekehrt entstehen manche Probleme im ehrenamtlichen Bereich erst dadurch, dass nicht die richtigen Menschen in Vereinen, Verbänden und Kirchen in wichtige Positionen drängen. "So eine Tätigkeit hat immer den Nimbus des Schönen und des Guten", sagt Frieder Schwitzgebel. Als ehrenamtlicher Geschäftsführer des "Forums Philosophie & Wirtschaft" organisiert er regelmäßige Diskussionsveranstaltungen zum Thema Wirtschaftsethik.

Da die meisten Vereine unter einem Mangel an Aktiven litten, würden auch solche Menschen zunächst freudig aufgenommen, die bloß eine Arena zum Austragen ihrer Eitelkeiten suchten. "Wenn man es dann darauf anlegt, kann man in einem Verein sein völlig eigenes Ding drehen", weiß der Journalist.

epd