TV-Tipp des Tages: "Kongo" (ZDF)

TV-Tipp des Tages: "Kongo" (ZDF)
Ein Bundeswehr-Krimi: Militärpolizistin Nicole Ziegler ist jung, mutig und ehrgeizig. Die Feldjägerin wird in den Ostkongo gerufen, nachdem sich ein Soldat eine Pistole in den Mund gesteckt hat.
15.10.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Kongo", 18. Oktober, 20.15 Uhr im Zweiten

Die Geschichte spielt im Kongo, doch Autor Alexander Adolph hätte sie genauso gut in Afghanistan ansiedeln können. Das wäre aktueller, aber auch riskanter gewesen: Die Realität des Krieges hätte die Handlung einholen können. Im Grunde spielt es auch keine Rolle, ob die junge Militärpolizistin ihre Ermittlungen im Kongo, in Afghanistan, in Bosnien, im Kosovo, in Somalia, im Sudan oder in Kuwait durchführt. In all diesen Ländern sind deutsche Soldaten in den letzten zwanzig Jahren eingesetzt worden, und die Bedingungen werden jedes Mal ähnlich gewesen sein: Freund und Feind sind kaum von einander zu unterscheiden, Ausrüstung, Unterbringung und Lebensmittel sind desolat, und der unvermeidliche Lagerkoller bekommt mit der allgegenwärtigen Angst alsbald einen finsteren Begleiter. Das ist der Hintergrund, vor dem man "Kongo" betrachten muss; ein grimmiger Kommentar zu den Zuständen, die Politiker gern zur "asymmetrischen Bedrohung" verniedlichen. "Das hier ist Krieg", stellt ein Hauptmann ganz nüchtern fest.

Vordergründig erzählen Adolph (nach einer Idee von Stefan Dähnert) und Regisseur Peter Keglevic einen Bundeswehr-Krimi. In Hollywood hat das Genre Tradition, hierzulande kann man Filme dieser Art an einer Hand abzählen. Wie klaffend die Leerstelle ist, wurde durch die "Polizeiruf 110"-Beiträge aus München mit Stefanie Stappenbeck erst so richtig deutlich. Mit Militärpolizistin Nicole Ziegler (Maria Simon) hat Adolph eine Figur geschaffen, die man sich auch gut als Sonntagsermittlerin vorstellen könnte. Sie ist jung, mutig, ehrgeizig und hat eine gesunde Abneigung dagegen, sich von Männern kommandieren zu lassen. Die Feldjägerin wird in den Ostkongo gerufen, nachdem sich ein Soldat eine Pistole in den Mund gesteckt hat. Die Stippvisite ist eine reine Formsache, eigentlich soll Frau Oberleutnant bloß ein Suizid-Protokoll abzeichnen, das Hauptmann Kosak (Jörg Schüttauf) schon fix und fertig vorbereitet hat. Sehr zum Missfallen Kosaks, der die junge Ermittlerin so schnell wie möglich wieder loswerden will, erwecken bestimmte Details Zieglers Misstrauen. Als sie im Müll das mobile Telefon des Toten findet und darauf einen Film entdeckt, der die Hinrichtung eines jungen Einheimischen dokumentiert, verbeißt sie sich in den Fall; und merkt viel zu spät, dass sie die ganze Zeit benutzt worden ist.

Keglevic, Regisseur von Fernseh-Ereignissen wie "Der Tanz mit dem Teufel" oder "Blackout", lässt die bedrückende Atmosphäre zunächst gewissermaßen zwischen den Bildern entstehen. Die spekulative Szene, in der die permanente Bedrohung handfest wird, wäre auf den ersten Blick gar nicht nötig gewesen: Bei einer nächtlichen Straßensperre mitten im Urwald wandern rote Laserpunkte über die Soldaten; Zieglers bislang so nassforscher Begleiter (Maximilian Brückner) macht sich vor Angst buchstäblich beinahe in die Hose. Gerade die Tatsache, dass sich das Ereignis als sinistrer Scherz entpuppt, trägt jedoch enorm dazu bei, diesen (und damit auch jeden sonstigen) Auslandseinsatz der Bundeswehr mit anderen Augen zu sehen. Gleiches gilt für Meldungen über Verbrechen von Soldaten.

All das aber trägt der Film nie vor sich her, und auch das macht "Kongo" zu einem besonderen Werk, das sich zudem durch eine herausragende Ensemble-Leistung auszeichnet (neben Simon und Schüttauf Götz Schubert als vermeintlich väterlicher Lagerkommandant sowie David Rott und Hannes Wegener als überforderte junge Soldaten). Außerdem dient Afrika endlich mal nicht als pittoresker Hintergrund für eine Romanze oder ein halbherziges Aids-Drama.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).