Am 15. Oktober soll der Rekord Wirklichkeit werden, eine Belohnung für rund 25 Jahre Planung und Bau am Gotthard-Basistunnel. Mit dem Fall der letzten anderthalb Meter Gestein wird der Weg frei. Von 2017 an sollen die ersten Züge über 57 Kilometer Schienen durch den Tunnel rollen.
Mehr als 2.500 Bergleute haben das Kunststück verbracht, sich im Berg mit bester Technologie gegen immer neue schwer zu bewältigende Gesteinsformationen durchgesetzt. Wo Hannibal sich mit seinen Elefanten noch über die Pässe schleppen musste, stellen die Alpen nun erstmals kein Hindernis mehr dar. Züge werden ebenerdig hindurch rasen.
Es ist nicht das erste Schweizer Tunnelwunder: Seit 1882 gibt es eine Tunnelröhre für die Eisenbahn, seit 1980 einen 17 Kilometer langen Straßentunnel - beides schon Bauwerke von enormer Dimension, von der 1830 freigegebenen Gotthard-Passstraße ganz zu schweigen. Wenn man nun in das Tunnelgewirr des neuen Gotthard-Basistunnels saust, bleibt einem fast das Herz stehen, so überwältigend sind die Ausmaße.
Sieben Bergleute verloren ihr Leben
Die Züge sollen die beiden Röhren des längsten Tunnels der Welt mit bis zu 270 Stundenkilometern durchmessen. Geschwindigkeit und höchste Ingenieurskunst sind es, die das Projekt auszeichnen - vergleichbar mit dem Bau des Suez-Kanals, ebenfalls eine Revolution für den Verkehr.
Mit allen Quer- und Verbindungsstollen misst das Tunnelsystem 152 Kilometer. Es könnte sogar schon ein Jahr früher, also 2016, in Betrieb genommen werden, so schnell kommen die Arbeiten voran. Seit dem ersten Spatenstich haben allerdings auch sieben Bergleute ihr Leben verloren.
Was die Arbeiter bei rund 28 Grad im Tunnel - gekühlt, sonst wären es über 40 - leisten, ist kaum vorstellbar. Etwa 400 Meter lange Tunnelbohrmaschinen mit jeweils rund 60 Meißeln am Bohrkopf, der knapp zehn Meter Durchmesser hat, rücken dem Gestein mit je 25 Tonnen Druck zu Leibe. Netze aus Stahl decken die Wände ab, der Abraum wird auf Förderbändern nach hinten geschleust. Insgesamt werden um die 13 Millionen Kubikmeter Material aus dem Berg gebrochen - das Fünffache des Volumens der gewaltigen Cheops-Pyramide oder ein übervoller Güterzug, der von Zürich bis New York reicht.
Von Zürich nach Mailand in zwei Stunden und 40 Minuten
Der Durchschlag des Tunnels erfolgt mit hoher Genauigkeit und einer horizontalen und vertikalen Abweichung von lediglich einem Zentimeter. Dort wo das System bereits zu begehen ist, bietet sich ein atemberaubender Anblick. Man glaubt, in einem unterirdischen Palast - allerdings völlig ohne Prunk - zu sein. Ein- und Ausgang scheinen in unerreichbarer Ferne, nur gespenstisches Licht beleuchtet die Szenerie der Baumaschinen und die Grubenarbeiter mit ihren Helmen. Der Gedanke an die hunderttausenden Tonnen Gestein über dem Kopf bleibt präsent.
Sind erst einmal die fast 230 Kilometer Schienen verlegt, sollen täglich 300 Personen- und Güterzüge durch den Tunnel brausen. Die Reise von Zürich nach Mailand dauert dann noch zwei Stunden und 40 Minuten - eine Stunde weniger als jetzt. Auch die Güterzüge legen an Tempo zu. Sie werden mit bis zu 160 Stundenkilometern verkehren, doppelt so schnell wie derzeit.
Die von der Schweiz geplante und mehr als 15 Milliarden Euro teure Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) besteht aus mehreren Tunneln. Neben dem Gotthard-Basistunnel wird auch der Ceneri-Tunnel im Tessin gebaut, der 2019 fertig sein soll. Die Auslastung des bereits bestehenden Lötschberg-Basistunnels liegt im Durchschnitt bei fast 80 Prozent.
Liveübertragung der Durchschlags-Feier
Und nun also der Durchstich. Der erste Durchschlag soll in der östlichen der beiden Röhren gefeiert werden, die rund 40 Meter auseinanderliegen und alle 312,5 Meter mit Querstollen verbunden sind. Die Durchschlagsstelle ist 27 Kilometer vom Nordportal in Erstfeld im Kanton Uri und 30 Kilometer vom Südportal in Bodio im Kanton Tessin. Sie liegt 2.500 Meter unter dem Gipfel des Piz Vatgira, der 2.983 Meter hoch ist und oberhalb der Lukmanierpassstraße liegt.
Allerdings: Ein kleines Loch gibt es bereits und es zog auch schon frische Luft durch den Berg. Sechs Zentimeter ist die Öffnung groß, die Bergleute aus Sedrun in Graubünden zu ihren Kumpeln aus Faido im Tessin bohrten. Sein Zweck: Das Kabel für die Liveübertragung der Durchschlags-Feier am 15. Oktober soll hindurch gesteckt werden.