Hamid Karsai will Frieden mit den Taliban aushandeln

Hamid Karsai will Frieden mit den Taliban aushandeln
Terror bekämpfen, Demokratie aufbauen, Frieden sichern: Was die Soldaten der internationalen Schutztruppe ISAF in Afghanistan tun sollen, klingt eigentlich gut. Nur gibt es in Afghanistan zurzeit keinen Frieden, den man sichern könnte, und auch Demokratie ist schwierig. Nun hat Präsident Hamid Karsai eine neue Initiative gestartet, mit den Taliban zu sprechen. Was der Dialog aber bringen kann, liegt noch im Verborgenen.

"Wir haben mit den Taliban gesprochen, von Landsmann zu Landsmann", wird Hamid Karsai am Montagabend im amerikanischen Fernsehen sagen. Im Interview mit Talkshow-Urgestein Larry King berichtet der afghanische Präsident von seinen "inoffiziellen privaten Kontakten" mit den Taliban, die es schon seit einiger Zeit gebe. Das Ziel sei, den Friedensprozess im Land voranzubringen.

Karsai wollte die Taliban, die aus unterschiedlichen Gründen "außerhalb ihrer Kontrolle" zur Gewaltanwendung getrieben wurden, wieder in ihre Heimat zurückholen. "Sie sind wie Kinder, die von ihrer Familie davongelaufen sind", sagte er. Diese Familie sollte sie jetzt zurückholen und wieder in die Gesellschaft eingliedern.

Karsai hatte erst vor wenigen Tagen den "Hohen Friedensrat" ins Leben gerufen. Unter dem Vorsitz des früheren Staatspräsidenten Burhanuddin Rabbani soll dieses 70-köpfige Gremium unabhängig von der Regierung agieren und Gespräche mit den Taliban vorantreiben. Der Rat soll die von Karsai aufgenommenen Kontakte zu den Taliban nach den Worten des Präsidenten nunmehr "offiziell und rigoroser voranbringen".

Der amerikanische Politik-Analyst Fareed Zakaria sieht in Karsais Initiativen einen möglichen Weg zum Frieden: "Bürgerkriege sind keine normalen Kriege, weil die Gewinner und Verlierer am Ende miteinander leben müssen", beschreibt er die Situation in Afghanistan. Die Gespräche mit den Taliban könnten eine solche Lösung befördern, auch wenn dafür wohl Kompromisse eingegangen werden müssten zwischen der verwestlichen afghanischen Verfassung und der konservativen islamischen Haltung der Taliban.

ISAF-Soldaten und britische Geisel getötet

Ob und wann das Realität wird, bleibt abzuwarten. Denn der Alltag in Afghanistan zeugt nicht von einem beginnenden Friedensprozess. Nachdem in der vergangenen Woche ein 26-jähriger Fallschirmjäger der Bundeswehr bei einem Anschlag starb, forderten die Kämpfe auch am Wochenende wieder neue Opfer. Für die Bundeswehr war es der 44. tote Soldat in Afghanistan.

Nach Informationen des unabhängigen Internetdienstes icasualties.org verloren seit Jahresbeginn insgesamt mehr als 570 NATO-Soldaten in Afghanistan ihr Leben, darunter auch vier italienische Soldaten, die in einem Konvoi unterwegs waren und bei der Explosion einer Bombe am Straßenrand getötet wurden. Die Zahl der am Hindukusch getöteten italienischen Soldaten ist damit auf 34 gestiegen.

Außerdem starb eine britische Entwicklungshelferin, die Ende September von Taliban entführt worden war, bei einem Befreiungsversuch von US-Truppen. Das britische Außenministerium teilte am Samstag mit, die Taliban hätten die 36 Jahre alte Schottin am Freitagabend während der Aktion getötet. Der Kommandeur der ISAF, US-General David Petraeus, sagte, die US-Soldaten hätten getan, "was in ihrer Macht stand". Die Frau war zusammen mit drei Afghanen in der östlichen Provinz Kunar gekidnappt worden. Die Einheimischen wurden vergangene Woche freigelassen.

Nachschub aus Pakistan wieder möglich

Der Nachschub aus Pakistan für die NATO-Truppen im Nachbarland Afghanistan rollt unterdessen wieder. Wie ein Sprecher der pakistanischen Sicherheitskräfte am Sonntag mitteilte, passieren seit Mittag (Ortszeit) wieder Lastwagen den wichtigen Übergang Torkham am Khyber-Pass. Die Regierung in Islamabad hatte am Samstag angekündigt, den seit zehn Tagen geschlossenen Grenzübergang im Nordwesten des Landes wieder zu öffnen. Der Grenzübergang Torkham war am 30. September für den NATO-Nachschub gesperrt worden.

Seit Beginn der Blockade hatten Extremisten ihre Angriffe auf die Versorgungskonvois verstärkt. Am Samstag setzten Bewaffnete in der südwestlichen Provinz Baluchistan etwa 30 Lastwagen mit Treibstoff in Brand. Das war der fünfte Angriff innerhalb weniger Tagen, bei denen insgesamt rund 150 Fahrzeuge zerstört wurden. Die NATO-geführte Internationale Schutztruppe ISAF in Afghanistan bezieht rund 80 Prozent ihres Nachschubs über die Grenzübergänge zwischen Pakistan und Afghanistan.

dpa/evangelisch.de/han