Empörung nach Seehofers Zuwanderungskritik

Empörung nach Seehofers Zuwanderungskritik
Mit der Forderung nach einem Zuwanderungsstopp hat CSU-Chef Horst Seehofer die Integrations-Debatte neu angefacht – und einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Böhmer, zeigt sich "schockiert". Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kolat, fordert eine Entschuldigung.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland verlangt von CSU-Chef Horst Seehofer eine Entschuldigung wegen seiner Forderung nach einem Zuwanderungsstopp für Türken und Araber. "Die jüngsten Aussagen Seehofers sind diffamierend und nicht hinnehmbar", sagte der Vorsitzende Kenan Kolat der "Berliner Zeitung" (Montag) zur Begründung. Kolat sprach von Stigmatisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen und sah darin den Versuch Seehofers, die Integrationsthesen des ausgeschiedenen Bundesbankvorstands Thilo Sarrazin zu übertrumpfen. Aus der CSU kamen unterdessen weitere Forderungen nach einer Begrenzung der Zuwanderung aus fremden Kulturkreisen.

Seehofer hatte gesagt, "dass sich Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen wie aus der Türkei und arabischen Ländern insgesamt schwerer tun" mit der Integration. Daraus ziehe er "den Schluss, dass wir keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen brauchen". Gleichzeitig forderte er schärfere Sanktionen gegen Integrationsverweigerer.

Schelte für Seehofers Ausländeroffensive

Nicht nur bei der Opposition stieß er damit auf Kritik - auch in den Reihen von CDU und FDP. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), zeigte sich "sehr schockiert". Böhmer, die Staatsministerin im Kanzleramt ist, sagte in der "Bild"-Zeitung (Montag): "Das grenzt aus und läuft allen Integrationsbemühungen zuwider." Zudem stelle Seehofer das grundgesetzliche Recht auf Ehegatten- und Familiennachzug sowie den Schutz politisch Verfolgter in Frage. Für den Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Ole Schröder (CDU), geht Seehofer am eigentlichen Problem vorbei. "Unser Problem ist vor allem die schlechte Integration der Migranten, die in dritter und vierter Generation in Deutschland leben", machte er in der "Financial Times Deutschland" (Montag) klar.

Bayerns FDP-Chefin und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger erklärte am Sonntag: "Unser Land braucht eine rationale Integrations- und Migrationspolitik - und keine bewusst vereinfachende populistische Debatte über einen Zuwanderungsstopp."

FDP-Chef Guido Westerwelle verlangte eine fordernde Integration. Er habe von der Notwendigkeit, die deutsche Sprache zu lernen, schon gesprochen, "als man dafür noch in eine rechte Ecke gestellt wurde", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Montag). Der bayerische Umweltminister Markus Söder unterstützte im ZDF seinen Chef Seehofer: "Natürlich braucht Deutschland Zuwanderer, aber die die Deutschland nützen."

Opposition: Seehofer soll sich entschuldigen

Grüne und SPD warfen Seehofer vor, den "Rechtspopulisten" zu geben. Grünen-Bundestagsfraktionschefin Renate Künast sagte, ein Ende der Zuwanderung sei schon lange eingetreten. Grünen-Parteichefin Claudia Roth forderte Seehofer auf, sich bei allen türkischen und arabischen Einwanderern zu entschuldigen. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende, Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, sagte in der ARD: "Das sind genau die Sprüche, die wir nicht brauchen bei einer Integrationsdebatte."

Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, sprach sich unterdessen dafür aus, europäischen Fachgruppen Vorrang vor Fachkräften aus anderen Regionen zu geben. "Diese Menschen sind leichter integrierbar in Deutschland als diejenigen, die fremden Kulturkreisen angehören", sagte er dem "Hamburger Abendblatt" (Montag). Zugleich verteidigte er den bayerischen Ministerpräsidenten: "Seehofer hat vollkommen recht."

Die gesteuerte Einwanderung ausländischer Spitzenkräfte ist auch nach Einschätzung der Bundesagentur für Arbeit (BA) unumgänglich. Mit den Langzeitarbeitslosen könne der Fachkräftemangel nicht gelöst werden, sagte Vorstandschef Frank-Jürgen Weise der "Süddeutschen Zeitung" von Montag. "Wir brauchen eine gesteuerte Zuwanderung, etwa mit Hilfe eines Punktesystems wie in Kanada", forderte er. Der BA-Chef stützte damit im koalitionsinternen Zuwanderungsstreit die FDP. Weise dämpfte allerdings zugleich die Erwartungen. Er warne davor, die Wirkung zu überschätzen: "Warum sollte jemand, der richtig gut qualifiziert ist, ausgerechnet zu uns kommen? Viele Firmen sind im Ausland aktiv und bieten dort auch interessante Jobs an."

Mehrheit der Deutschen zweifelt an Integration

Nach einer Emnid-Umfrage für die "Bild am Sonntag" glaubt die Mehrheit der Bundesbürger nicht an eine erfolgreiche Integration der Muslime in Deutschland. 68 Prozent der Befragten bezweifeln, dass die Zuwanderer aus islamischen Ländern in absehbarer Zeit gut Deutsch sprechen werden. 59 Prozent sind der Meinung, dass die Mehrheit der Muslime nicht bereit ist, das Grundgesetz für sich persönlich zu akzeptieren.

Allerdings gibt es in der Union auch weiter Kritik an den Islam-Äußerungen von Wulff. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sagte der "Welt am Sonntag": "Der Islam gehört nicht zum Fundament unseres Landes." Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) forderte die Muslime auf, Gewalt im Namen ihrer Religion, Zwangsverheiratungen und Ehrenmorde zu verurteilen. "Wenn nicht klargestellt wird, dass dies mit der Religion des Islam unvereinbar ist, werden die Ängste bleiben", sagte sie dem "Tagesspiegel" (Montag).

dpa/epd