Debatte über Rolle des Islam in Deutschland geht weiter

Debatte über Rolle des Islam in Deutschland geht weiter
In der aktuellen Islam-Diskussion wird die Forderung nach einer Gleichstellung mit den Kirchen laut. Der evangelische Staatsrechtler Hans Michael Heinig hält einen entsprechenden Vorstoß aus den Reihen der SPD aber für missverständlich. Unterdessen üben Unionspolitiker scharfe Kritik an Bundespräsident Christian Wulff, der in seiner Rede zum Tag der deutschen Einheit gesagt hatte: "Der Islam gehört zu Deutschland."

Heinig sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), wenn mit den Vorschlägen für eine rechtliche Gleichstellung gemeint sei, dass es einer ausdrücklichen Anerkennung "des Islam" bedürfe, sei die Forderung unsinnig. "Das deutsche Verfassungsrecht sieht kein besonderes Anerkennungsverfahren vor. Vielmehr sind nach dem Grundgesetz alle Religionen und Weltanschauungen gleichberechtigt - also immer schon anerkannt", so der Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, hatte es zuvor als wichtiges Signal an die vier Millionen Muslime in Deutschland bezeichnet, wenn der Staat den Islam als Religionsgemeinschaft anerkenne. Ähnlich äußerte sich der integrationspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Memet Kilic. Zuzustimmen ist aus Sicht des Juristen Heinig den Vorschlägen, wenn sie darauf abzielten, dass der Staat die Umwandlung der islamischen Dachverbände in Religionsgemeinschaften im Sinne des Grundgesetzes wohlwollend begleiten sollte. Politisch habe die Deutsche Islamkonferenz bereits deutlich gemacht, dass der Islam ein Teil Deutschlands ist.

"Islam hat noch Arbeit vor sich"

Zur Debatte über die Wulff-Rede sagte der Staatsrechtler, Menschenwürde, Grundrechte und Demokratie hätten starke christliche Wurzeln. Zugleich seien sie aber universell gültig. Deshalb irritierten alle Versuche, gegenüber den Muslimen in Deutschland eine jüdisch-christliche Leitkultur als für das Zusammenleben verbindlich zu propagieren. "Das Grundgesetz garantiert allen Religionen, also auch dem Islam, Freiheit, Gleichberechtigung und öffentliche Mitverantwortung", so Heinig. Zugleich werde jedoch von den Religionen erwartet, dass sie sich die Leitvorstellungen einer auf gleicher Würde und Freiheit beruhenden politischen Ordnung zu eigen machten. Hier habe der Islam noch Arbeit vor sich.

Unterdessen gingen weitere Unionspolitiker auf Distanz zu den Äußerungen von Bundespräsident Christian Wulff, wonach der Islam wie Judentum und Christentum zu Deutschland gehöre. Unter anderem äußerte sich Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) kritisch: Wulffs Rede mit dem Satz, der Islam gehöre inzwischen auch zu Deutschland, habe "dazu geführt, dass erklärende Interpretationen notwendig geworden sind". Der Maßstab für das Zusammenleben in Deutschland sei das Grundgesetz, "das auf unserem christlich-jüdischen Erbe beruht". Der Islam könne nicht das Werte-Fundament der deutschen Gesellschaft bilden. Ähnlich hatte sich zuvor unter anderen CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich geäußert.

Merkel betont jüdisch-christliche Wurzeln

Kanzlerin Angela Merkel war unterdessen bemüht, die Wogen zu glätten. Die CDU-Chefin unterstrich am Mittwoch zwar erneut die Bedeutung der Rede Wulffs, betonte aber zugleich die christlich-jüdischen Wurzeln Deutschlands. Auslöser für die neue Islam-Debatte in Deutschland war die Rede von Bundespräsident Wulff zum Tag der deutschen Einheit. Am 3. Oktober hatte Wulff unter anderem gesagt: "Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.

Während die Rede vielfach positiv aufgenommen wurden, löste sie in den Reihen von CDU und CSU vielfach Widerspruch aus. "Unsere Grundwerte gründen klar in der christlich-abendländischen Tradition", betonte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in der "Süddeutschen Zeitung" (Donnerstag). Es gebe "überhaupt keinen Anlass, den Islam in unsere Werteordnung zu integrieren". Deutschland erwarte von jedem, dass er sich voll integriere in die Gesellschaft, unabhängig von Herkunft oder Religion. "Deutschland will aber nicht den Islam integrieren, sondern seine kulturelle Identität bewahren", sagte Herrmann.

Kritik und Unterstützung für Wulff

Distanziert äußerte sich auch der stellvertretende Unions-Fraktionschef Günter Krings (CDU). "Der Islam ist Teil der Wirklichkeit hier, aber er zählt nicht zu der traditionellen, gewachsenen Kultur in Deutschland", sagte er der "Süddeutschen Zeitung": "Es werden innerhalb des Islam auch Werte vertreten, die ich nicht in der deutschen Kultur sehen will, etwa zur Stellung der Frau in der Gesellschaft." Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) stellte sich hinter den Bundespräsidenten. "Seine Rede war ein Bekenntnis zu den Menschen muslimischen Glaubens, die hier leben und leben wollen", sagte Röttgen der "Passauer Neuen Presse" (Donnerstagsausgabe). Klar sei aber - und das habe Wulff auch gesagt: "Deutschlands religiöse und kulturelle Wurzeln liegen im Christentum und im Judentum."

Über eine Gleichstellung des Islam mit den christlichen Kirchen wird seit September 2006 auch im Rahmen der von der Bundesregierung einberufenen Islamkonferenz beraten. Als wichtiger Hinderungsgrund gilt derzeit, dass die rund vier Millionen Muslime in Deutschland nur sehr unverbindlich in verschiedenen Verbänden organisiert sind. Eine Anerkennung als Religionsgemeinschaft zöge eine Reihe von Vorteilen nach sich, zum Beispiel das Recht, durch den Staat Steuern für eigene Zwecke einzuziehen. Auch islamischer Religionsunterricht an Schulen würde auf dieser Grundlage flächendeckend organisiert werden können.

epd/dpa