TV-Tipp: "Donna Leon: Lasset die Kinder zu mir kommen"

TV-Tipp: "Donna Leon: Lasset die Kinder zu mir kommen"
Die Krimis von Donna Leon zeichnen sich durch venezianische Trostlosigkeit aus. Das wird durch das Thema "Kinderhandel" noch bestärkt, hat aber im aktuellen Brunetti großen Reiz.
07.10.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Donna Leon: Lasset die Kinder zu mir kommen" , Donnerstag, 7. Oktober, 20.15 Uhr im Ersten

Ein grimmiger Titel: In Donna Leons sechzehntem Brunetti-Roman "Lasset die Kinder zu mir kommen" ist der Nachwuchs eine Ware. Im Prolog der Verfilmung bringt eine Albanerin ein Kind zur Welt, das ihr gleich wieder abgenommen wird. Es habe die Geburt nicht überlebt, heißt es; da sie sich illegal in Italien aufhält, macht ihr der Arzt klar, dass sie besser keine weiteren Fragen stellt.

Und das ist nur der Auftakt einer Geschichte, die im weiteren Verlauf nichts an Düsternis einbüßt; einzig Michael Degen sorgt mit den Auftritten des vergeblich um Würde bemühten Vice-Questore Patta für tragikomische Momente. Der Rest ist die pure Trostlosigkeit, was wie stets in den Leon-Verfilmungen noch durch die eindrucksvolle Kulisse Venedigs verstärkt wird. Das Baby der Albanerin ist auf Umwegen beim wohlhabenden Ehepaar Pedrolli (Uwe Bohm, Nadeshda Brennicke) gelandet, und nur durch Zufall kommt Commissario Brunetti (Uwe Kockisch) überhaupt auf die Spur dieses Menschenhandels: Pedrollis Wohnung ist mitten in der Nacht von Carabinieri gestürmt worden, die den vermeintlich unbescholtenen Kinderarzt wüst verprügelt haben.

Routiniert, konsequent undurchsichtig und knisternd

Nun wird die Geschichte unübersichtlich und kompliziert, denn um die weiteren Ereignisse zu verstehen, muss man wissen, dass es in Italien mit den militärisch organisierten Carabinieri und der Polizia gewissermaßen zwei getrennt von einander operierende Polizeikräfte gibt. Donna Leon hat diesen Wettstreit noch zugespitzt, indem sie an die Spitze der Carabinieri ausgerechnet einen Sizilianer stellt; Gregor Törzs spielt den im Norden traditionell verachteten Süditaliener mit seinen Cowboy-Stiefeln ebenso cool wie impulsiv und ist damit ein wunderbarer Gegenentwurf zum kultivierten und beherrschten Brunetti. Die beiden Ermittler streiten fortan um die Zuständigkeit in diesem Fall: Die Albanerin wird tot aus dem Hafen gefischt. Sie hatte ein Foto Pedrollis dabei; daher auch der nächtliche Überfall durch die Carabinieri. Womöglich wollte die Frau den Adoptivvater erpressen oder einfach nur ihr Kind zurück. Nebenbei sucht Brunettis ewig hungriger Assistent Vianello (Karl Fischer) nach den Hintermännern eines Rezeptbetrugs, und selbstredend gibt es eine ganz entscheidende Schnittstelle zwischen den beiden Fällen.

Der von Sigi Rothemund insgesamt unauffällig und routiniert inszenierte Film lebt vor allem von der konsequenten Undurchsichtigkeit der Geschichte, in der schließlich auch die große Politik noch eine Rolle spielt: Pedrollis Schwiegervater (Michael Gwisdek) ist Chef einer rechtspopulistischen Partei und entsprechend fremdenfeindlich. Die ungewöhnlich namhafte Besetzung, ohnehin stets ein Plus der Venedig-Krimis, trägt natürlich ebenfalls zum Reiz bei. Aber am schönsten sind dennoch die kleinen Momente zwischen der bezaubernden Signorina Elettra und dem Commissario: Die beiden geben sich als kinderloses Paar aus, um den "Klapperstorch" genannten Drahtzieher (Andreas Pietschmann) des Adoptionsgeschäfts zu überführen, und dank Annett Renneberg knistert es dabei ganz schön.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).