Wie ein missmutiger Großvater, der von seiner Tochter gegen seinen Willen zu einer Familienfeier mitgeschleppt wurde, sitzt Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Scharm el Scheich auf einer Couch. Am anderen Ende der lindgrünen Couch sitzt US-Außenministerin Hillary Clinton, die lächelt, als könnte sie mit ihren Mundwinkeln den Frieden herbeizaubern. Kurz darauf erscheint der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Auch er setzt sein schönstes Siegerlächeln auf.
Nur Abbas, der dieses Jahr seinen 75. Geburtstag gefeiert hat, schaut noch immer aus wie ein vom Schicksal gebeutelter Verlierer. Clinton hat ihm gerade den Kopf gewaschen, weil er öffentlich damit gedroht hatte, die von ihr vermittelten Friedensverhandlungen mit Israel abzubrechen, falls die Israelis weiter jüdische Siedlungen im Westjordanland bauen. Die israelische Seite hatte am Dienstag erklärt, sie wolle ihr zehnmonatiges Moratorium für den Siedlungsbau, das Ende September endet, nicht verlängern.
Echte Verhandlungen scheinen völlig unmöglich
Abbas und sein Team halten die Verhandlungen für eine Show, in der sie selbst als Statisten auftreten sollen. Dass sie überhaupt daran teilnehmen, hat weniger mit ihrer Hoffnung auf einen Friedensvertrag als damit zu tun, dass die Regierung in Ramallah von der EU und den USA finanziell abhängig ist. Außerdem wollen sie sich nicht nachsagen lassen, sie hätten nicht alles versucht, um sich mit Israel auf eine Zwei-Staaten-Lösung zu einigen - bevor sie dann eventuell nächstes Jahr einseitig die Gründung eines kleinen Palästinenserstaates im Westjordanland verkünden.
"Wir nutzen diese Gelegenheit für Verhandlungen, obwohl die Erfolgschancen sehr gering sind, damit hinterher niemand behaupten kann, wir hätten uns davor gedrückt", erklärt Mohammed Ischtiah, der zum Verhandlungsteam von Abbas gehört. Von "Verhandlungen" könne bisher allerdings keine Rede sein, betont er, "bisher geht es nur darum, herauszufinden, wie die Positionen der anderen Seite genau aussehen".
Israelis gehen wohl auf keine Friedenslösung ein
Die israelische Antwort kam prompt. Netanjahu sprach in Scharm el Scheich über Sicherheit und darüber, weshalb Abbas anerkennen müsse, dass Israel ein Staat für die Juden sei. Doch selbst wenn er es wollte, wäre Abbas nach internationalem Recht gar nicht in der Lage, die Rechte der in Israel lebenden Araber in den Friedensprozess mit einzubeziehen. Aus der israelischen Delegation hieß es, man sei weiterhin daran interessiert, "Kompromisslösungen" zu finden, damit die Verhandlungen fortgesetzt werden könnten.
Damit ist allerdings niemand so richtig zufrieden, auch die ägyptischen Gastgeber nicht, die sich als Dauer-Vermittler im Nahost-Friedensprozess freuen würden, wenn sie aus Scharm el Scheich zumindest einen Teilerfolg vermelden könnten. Die Ägypter befürchten, dass Netanjahu nicht bereit für eine Friedenslösung auf der Basis des Prinzips "Land gegen Frieden" ist. Deshalb gab es für Abbas auch von den Ägyptern keine aufmunternden Worte. So bleibt er eingezwängt zwischen der US-Regierung, die vor den Kongresswahlen einen außenpolitischen Erfolg präsentieren will, und der radikalislamischen Palästinenser-Bewegung Hamas.
Israelischer Minister: Acht Jahre altes Friedensangebot annehmen
Hamas fordert nämlich weiterhin, dass Abbas die Gespräche abbricht. Der Sprecher der Hamas in Gaza, Sami Abu Suhri, erklärte: "Wir warnen die Fatah-Partei von Abbas davor, diese katastrophalen und zerstörerischen Gespräche fortzusetzen, wir rufen dazu auf, diese Farce zu beenden." Nur: Abbas wird sich das nicht erlauben können, vor der internationalen Gemeinschaft als Buhmann dazustehen. Die USA jedenfalls nehmen diese Rolle nicht an: Die Aufgabe der Vermittler sei es nur, "den Partnern zur Seite zu stehen, während diese schwierige Entscheidungen treffen", sagte der US-Nahostgesandte George Mitchell am Rande der Gespräche.
Ein israelisches Kabinettsmitglied sprach sich derweil dafür aus, das bereits 2002 vorgelegte Friedensangebot der arabischen Staaten anzunehmen. Es sieht eine Aussöhnung des jüdischen Staates mit den arabischen Staaten vor, falls sich Israel aus den 1967 besetzten Gebieten zurückziehen sollte. Das Angebot war von Israel bislang weitgehend ignoriert worden. Der zur Arbeitspartei gehörende Minister für die Angelegenheiten der Minderheiten, Avishai Braverman, sagte in einem Interview mit der arabischen Zeitung "Al-Sharq Al-Awsat": "Dass wir auf diesen Vorschlag nicht reagiert hatten, war ein Fehler, den wir korrigieren sollten."