TV-Tipp des Tages: "Lautlose Morde" (ZDF)

TV-Tipp des Tages: "Lautlose Morde" (ZDF)
Die Geschichte klingt nach Hitchcock: Eine Frau flieht aus einer Nervenheilanstalt und überredet den Investment-Berater Andreas Mersfeld, ihr beizustehen.
08.09.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Lautlose Morde", 13. September, 20.15 Uhr, ZDF

Die Geschichte klingt nach Hitchcock: Eine Frau flieht aus einer Nervenheilanstalt und überredet den Investment-Berater Andreas Mersfeld, ihr beizustehen. Ihr bestes Argument ist ungeheuerlich: Angeblich probiert der Leiter der Klinik an seinen Patienten neue Medikamente aus. Zu den Versuchskaninchen gehörte auch Mersfelds nach dem Tod des gemeinsamen Kindes schwermütige Gattin. Offenbar haben die Nebenwirkungen des Anti-Depressivums Julia Mersfeld jeden Lebensmut geraubt; kurz drauf hat sie sich das Leben genommen. Doch je mehr Andreas Mersfeld über Sarah Merlow, die Zeugin der Anklage, erfährt, desto mehr gerät ihre Verschwörungstheorie ins Wanken: Der vermeintlich skrupellose Wissenschaftler ist ihr Mann, sie befindet sich zu ihrem eigenen Schutz in der geschlossenen Abteilung. Trotzdem flieht Mersfeld mit ihr von Frankfurt nach Wien, wo Sarahs Tochter lebt. Seine Überzeugung gerät jedoch erheblich ins Wanken, als Merlow ihm Bilder aus der Überwachungskamera im gemeinsamen Zimmer der beiden Frauen zeigt. Schockiert muss Mersfeld mit ansehen, wie Sarah seine Frau nötigt, die Tabletten zu schlucken. Die Welt als Wille – oder Wahnvorstellung?

Mitunter wünschte man sich, Buch (Don Schubert) und Regie (Jörg Grünler) würden noch mehr in der Schwebe lassen, ob Sarah Merlow (Jessica Schwarz) tatsächlich Zeugin einer Verschwörung oder bloß Opfer der eigenen Paranoia ist. Filip Peeters hingegen ist eine wunderbar treffende Besetzung als Arzt: Dank seines großartigen Gespürs für Zwischentöne fragt man sich in der Tat, ob Merlows Mitgefühl nicht der pure Zynismus ist. Die facettenreichste Rolle hat allerdings Fritz Karl, denn Mersfeld ist gleich zweifach in die Sache involviert: Gerade erst hat er erfolgreich die Übernahme der kleinen Pharma-Firma Votec durch einen Großinvestor eingefädelt; das neue Medikament ist gewissermaßen Votecs milliardenschwere Mitgift. Ein Skandal würde den Deal naturgemäß zerschlagen, und Mersfelds Aussicht auf einen Posten im Vorstand wäre dahin. Entsprechend hin und hergerissen ist der Investment-Spezialist: Es gäbe gute Gründe, Sarah einfach wieder in die Klinik zurückzubringen.

Regisseur Grünler verzichtet völlig auf vordergründige Thriller-Elemente und konzentriert sich ganz auf die komplexe Geschichte. Entsprechend viel wird geredet, was dem Film nicht immer zum Vorteil gereicht. Zum Finale wird die Handlung dann vollends undurchsichtig, bis Mersfeld endlich rausfindet, dass er bloß eine Figur in einem abgekarteten Spiel war. Dennoch: Weniger Dialog, mehr Hitchcock, und „Lautlose Morde“ wäre noch fesselnder geworden.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).