Rückwanderer: Wenn das eigene Land fremd ist

Rückwanderer: Wenn das eigene Land fremd ist
Die Umstellung fällt schwer: Nicht nur die finanzielle Situation oder die Reintegration in den Arbeitsmarkt, sondern auch das Gefühl des Fremdseins im eigenen Land bereiten Rückwanderern Schwierigkeiten.
06.09.2010
Von Ulrike Pape

Bleiben oder zurückgehen? Die Frage kommt Ute Mädler merkwürdig vertraut vor. Vor elf Jahren zog sie mit ihrem Mann und der damals dreijährigen Tochter nach Vancouver in Kanada. Mit dabei war immer das Gefühl der Zerrissenheit. "Ständig war die Frage präsent: Gehen wir zurück nach Deutschland?", berichtet die Königswinterin. Nebenbei ging das Leben für die Familie jedoch weiter: Der zunächst auf zwei Jahre befristete Vertrag ihres Mannes an der Universität wurde verlängert. Die zweite Tochter kam in Vancouver zur Welt. Ute Mädler fand Arbeit in einem Wohnheim für geistig Behinderte, unterrichtete Deutsch und betreute Senioren in einem überwiegend deutschsprachigen Altersheim. Aus den geplanten zwei wurden zehn Jahre in Kanada. "Wir sind hängen geblieben", sagt Ute Mädler heute und schmunzelt.

"Familie ist wichtiger als schöne Berge und das Meer"

Seit einem Jahr ist die Familie nun wieder in Deutschland – angekommen ist sie jedoch noch nicht. "Die Umstellung fällt uns verdammt schwer", konstatiert die 44-Jährige. Dabei war die Entscheidung zur Rückkehr vergangenes Jahr schnell getroffen: "Es kam vieles zusammen", begründet Ute Mädler ihren Schritt: die Unsicherheit, ob ihr Mann angesichts der Rezession seinen Job in Kanada behält und dann das gute Stellenangebot in Bonn. Außerdem zog es die Auswanderer wegen ihrer beiden Töchter zurück nach Deutschland, die hier später studieren sollen.

Auch Markus Meier (Name von der Redaktion geändert) sieht für seine Familie bessere Chancen in Deutschland als in Kanada: "Für unsere Tochter wäre es besser, wenn sie im Familienkreis aufwachsen würde", ist der 48-Jährige überzeugt. In der kanadischen Provinz Britisch Kolumbien haben seine Frau und er dagegen kein Netzwerk, auf das sie zurückgreifen könnten. "Jeder ist hier für sich", stellt der Handwerker resigniert fest, "Als Auswanderer fühlst du dich immer allein. Die Kanadier lassen dich nie richtig an sich ran." Seine Erkenntnis nach 20 Jahren in Kanada: "Familie und echte Freundschaften sind wichtiger als schöne Berge und das Meer".

Rückwanderung vorbereiten

Mit seinem Wunsch, in die Heimat zurückzukehren, ist Markus Meier nicht allein. In der Zentralen Onlineberatungsstelle des Raphaels-Werks meldeten sich vergangenes Jahr 116 Ratsuchende mit diesem Anliegen, 2008 dagegen nur 87, im Jahr zuvor gerade mal 38. Der gemeinnützige Verein berät seit 139 Jahren Menschen beim Auswandern und immer häufiger auch beim Rückwandern.

Ob Familie oder Beruf – Gründe für die verstärkten Anfragen ehemals ausgewanderter Deutscher gibt es viele. In Zeiten der weltweiten Wirtschaftskrise ist es zuweilen auch pure finanzielle Not. "Häufigstes Anliegen, mit dem sich Rückkehrer an unsere Beratungsstellen wenden, ist die Bitte um finanzielle Unterstützung für die Anfangszeit in Deutschland, was wir als gemeinnütziger Verein allerdings nicht leisten können", berichtet Gabriele Mertens, Generalsekretärin des Raphaels-Werks. Dabei seien es häufig vermeidbare Schwierigkeiten, die die Auswanderer und ihre Familien zur Rückkehr nach Deutschland zwingen. Sie rät daher, bereits vor dem Gang ins Ausland eine mögliche Rückwanderung vorzubereiten. Praktisch heißt das: vor der Auswanderung sich intensiv über das andere Land zu informieren, nicht alle Brücken nach Deutschland abzubrechen, eine eiserne Reserve zurückzulegen und sämtliche Bescheinigungen und Belege zu sammeln – für etwaige Ansprüche auf Arbeitslosengeld oder Rente.

Gefühl des Fremdseins im eigenen Land

Schwierigkeiten bereitet Rückwanderern oft aber nicht nur die finanzielle Situation oder die Reintegration in den Arbeitsmarkt, sondern auch das Gefühl des Fremdseins im eigenen Land. Ob beim Autofahren oder bei der Sprachwahl, der Ton in Deutschland sei rauer und aggressiver, beobachtet Ute Mädler: "Vielleicht sind wir zu lange weg gewesen, aber früher sind mir die vielen abfälligen Bemerkungen und Schimpfwörter auf der Straße nicht so stark aufgefallen."

Auch für Markus Meier ist vieles in Deutschland ungewohnt. Bei seinen Besuchen fühle er sich "wie ein Tourist": "Ich habe Bedenken, ob ich wieder Fuß fassen könnte, da ich nach so langer Zeit höchstwahrscheinlich den Anschluss verpasst habe." Am Ende ziehe es ihn womöglich doch wieder nach Kanada zurück. Eine offenbar typische Auswanderer-Erfahrung: Die so genannten Rückauswanderer, die weggehen, sich auf das Leben im anderen Land nicht einlassen können, nach Deutschland zurückkehren und schließlich erneut auswandern, dies meist aus Überzeugung und auf Dauer. Auch Ute Mädler spielt inzwischen mit dem Gedanken, irgendwann wieder nach Kanada zu ziehen – dann aber für immer.

Informationen für Rückwanderer

Hilfe und Informationen für Rückwanderer gibt es bei den Beratungsstellen für Auswanderer und Auslandstätige. Die Evangelische Auswandererberatung informiert im Auftrag des Diakonischen Werks der EKD, das Raphaels-Werk im Auftrag des Deutschen Caritasverbandes:

Auch die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) informiert, was Rückkehrer bereits im Ausland und in Deutschland tun können, um hier möglichst schnell wieder beruflich Fuß zu fassen.