Koalition sucht Kompromiss für AKW-Laufzeiten

Koalition sucht Kompromiss für AKW-Laufzeiten
Begleitet von Protesten von Atomgegnern haben am Sonntag die entscheidenden Beratungen zur Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken begonnen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wollte noch am Wochenende eine Lösung dieses monatelangen Streitthemas der schwarz-gelben Koalition durchsetzen.

Spitzenvertreter von SPD, Grünen und Linkspartei schlossen sich den Demonstranten vor dem Kanzleramt an und warnten die Koalition vor einer Veränderung des unter Rot-Grün vereinbarten Atomausstiegs. Am Nachmittag trafen FDP-Chef Guido Westerwelle und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer sowie die Vorsitzenden der Regierungskoalitionen zu der Abschlussrunde bei Merkel ein. Diese hatte zuvor schon mit den Fachministern ihres Kabinetts nach Kompromissen in den noch offenen Fragen gesucht. Es wurde mit einer Nachtsitzung gerechnet.

In den Vorgesprächen gab es eine erste Verständigung: Die Atomsteuer für die Stromkonzerne von jährlich 2,3 Milliarden Euro ab 2011 soll befristet werden. Im Gespräch sind 4 bis 6 Jahre.

Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa wurde eine Paketlösung mit unterschiedlichen Laufzeiten und Sicherheitsanforderungen je nach Alter der einzelnen Atomkraftwerke angestrebt. Neben der Brennelementesteuer soll es bei einer längeren Laufzeit der AKWs zusätzliche Abgaben der Atomindustrie für erneuerbare Energien geben. Die Größenordnung soll in etwa der Atomsteuer entsprechen.

Bundesrat soll kein Vetorecht erhalten

Erst nach der Verständigung auf die Abgaben der Atomindustrie und die zusätzlichen Sicherheitsanforderungen sollte es bei dem Koalitionsgipfel eine konkrete Festlegung auf die längeren Laufzeiten geben. Merkel hatte bereits einen Korridor von 10 bis 15 Jahren genannt. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) wollte die Verlängerung möglichst begrenzt halten, Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hatte sich dagegen für einen längeren Zeitraum ausgesprochen.

Die Koalition will vor allem verhindern, dass der Bundesrat ein Vetorecht bei der Laufzeitverlängerung bekommt. Je länger die Meiler zusätzlich am Netz sind, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Länder zustimmen müssen. Die SPD hat bereits Verfassungsklagen angekündigt, sollte der Bundesrat umgangen werden. In der Ländervertretung hat Schwarz-Gelb keine Mehrheit mehr.

«Wir sind der Meinung, dass der Bundesrat nicht zustimmen muss», sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder der «Welt am Sonntag». «Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Verfassungsgericht zehn Jahre Verlängerung ohne Bundesrat für verfassungsgemäß hält, elf Jahre ebenfalls ohne Bundesrat für verfassungswidrig.» Kauders Stellvertreter Michael Fuchs sagte der «Rhein-Zeitung» (Montag), er erwarte eine Laufzeitverlängerung von 15 Jahren.

Greenpeace: AKWs unzureichend geschützt

Über 2.000 Menschen haben vor dem Bundeskanzleramt in Berlin gegen die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken protestiert. Kernkraft berge ein tagtägliches Risiko, gegen das auch die Bundeskanzlerin im Ernstfall machtlos sei, erklärten die Demonstranten. Mit längeren Laufzeiten für die alternden Atommeiler werde Angela Merkel (CDU) die Menschen einem zunehmenden Sicherheitsrisiko aussetzen, nur um den Stromkonzernen milliardenschwere Extraprofite zu sichern. Zu den Protesten hatten unter anderem der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und das Kampagnennetzwerk Campact aufgerufen.

Nach einem in Hamburg veröffentlichten Bericht der Umweltorganisation Greenpeace sind die Atomkraftwerke auch neun Jahre nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 noch immer unzureichend gegen einen möglichen Angriff aus der Luft geschützt. Gefahr drohe auch von mit Sprengstoff beladenen Hubschraubern oder von einem Anschlag mit einem Privat- oder Geschäftsflugzeug. Greenpeace forderte erneut, die acht gefährlichsten Atomkraftwerke Biblis A und B, Philippsburg 1, Unterweser, Neckarwestheim, Brunsbüttel, Isar 1 und Krümmel sofort abzuschalten.

dpa/epd