Wulff verlangt Stellungnahme der Regierung zu Sarrazin

Wulff verlangt Stellungnahme der Regierung zu Sarrazin
Der Bundespräsident muss über die Entlassung des umstrittenen Bundesbankers Thilo Sarrazin entscheiden. Bevor er das tut, verlangt er eine Stellungnahme der Bundesregierung.

Bundespräsident Christian Wulff hat die Bundesregierung um eine Prüfung der Gründe zur Entlassung von Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin gebeten. Dies teilte das Bundespräsidialamt am Freitag mit. Zuvor war der Antrag der Deutschen Bundesbank zur Entlassung ihres Vorstandsmitglieds im Amt von Wulff eingetroffen.

Vor dem Hintergrund der Sarrazin-Debatte hatte der Bundespräsident den Großteil der Migranten in Deutschland gegen den Vorwurf mangelnder Integrationsbereitschaft bereits in Schutz genommen. "Die Mehrzahl neu angekommener Bürger nimmt erfolgreich an Integrationskursen teil", sagte er der "Mainzer Allgemeinen Zeitung" (Freitag). Wulff räumte zugleich Defizite in der deutschen Ausländerpolitik ein: "Versäumte Anstrengungen bei der Integration müssen nachgeholt werden", forderte der Bundespräsident. Andererseits müssten aber auch "klare Forderungen an Zuwanderer formuliert werden".

Nach einer Studie stimmt jeder zweite Bundesbürger der umstrittenen Aussage des Bundesbank-Vorstandsmitglieds Thilo Sarrazin zu, dass es zu viele Ausländer in Deutschland gebe. Nur 16 Prozent meinten, die muslimische Kultur passe hierher, sagte der Sozialforscher Andreas Zick von der Universität Bielefeld der "Frankfurter Rundschau" (Freitag). "Das sind sogar weniger als etwa in Ungarn oder den Niederlanden." Der Wissenschaftler verwies dabei auf eine Bielefelder Langzeitstudie.

Wegen seiner umstrittenen Thesen droht Sarrazin neben seiner Entlassung als Bundesbank-Vorstand auch der Rausschmiss aus der SPD. Sein Berliner SPD-Kreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf leitete am Donnerstag den Parteiausschluss ein, weil der frühere Berliner Finanzsenator die Partei mit seinem Verhalten schädige.

Sarrazin-Fürsprecher in der SPD

Der Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sagte der rbb-"Abendschau", Sarrazin sei aus Partei und Bundesbank gewarnt worden. "Ich verstehe ihn nicht mehr", sagte Wowereit. Sarrazin sei immer gut für Extreme gewesen. Aber dass er sich so unsäglich verrenne mit Gen-Definitionen, Ausgrenzungen und Diffamierungen von Menschen, könne er nicht mehr nachvollziehen. "Es tut mir wirklich, wirklich leid um Thilo Sarrazin, mit dem ich gut zusammen gearbeitet habe, aber er hat sich da verrannt." Man könne nur hoffen, dass Sarrazin "sich selbst aus dieser Ecke wieder herausbringt".

Sarrazin findet aber auch Fürsprecher in der SPD. So erklärte Renate Harant, Mitglied des Abgeordnetenhauses aus Treptow-Köpenick, der rbb-"Abendschau", man könne nicht mit der Person abrechnen und gleichzeitig das Thema vom Tisch wischen. Sie wünsche sich eine genaue Analyse seiner Thesen und der Konsequenzen und keine Beschäftigung mit der Person Sarrazin.

Am Montag will der SPD-Kreisvorstand dem Landesvorstand vorschlagen, das beschleunigte Ausschlussverfahren zu prüfen. Weil Sarrazin keine Parteiämter mehr innehat, sieht der Kreisvorstand aber selbst keine dringlichen Gründe dafür. Auch der SPD-Bundesvorstand hat sich bereits für Sarrazins Ausschluss ausgesprochen. Das beschleunigte Vorgehen ist möglich, wenn die SPD durch Verfehlungen eines Mitglieds schwere Schäden erleidet oder dies mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Der Fall käme dann sofort vor das Landesschiedsgericht und nicht zunächst vor das Schiedsgericht des Kreisverbandes. Das beschleunigte Verfahren würde drei Monate dauern. Das letzte Parteiordnungsverfahren, das Sarrazin im März überstand, dauerte rund fünf Monate.

dpa