Gesund und lecker: Honig aus der Großstadt

Gesund und lecker: Honig aus der Großstadt
Er steht für Gaumenfreuden, für eine angenehme Süße, für Glück, Wohlergehen und sogar für das Paradies: Honig. Und wird neuerdings auch gern in der Großstadt produziert. Wie zum Beispiel in Berlin. Dort ergeht es Bienen oftmals besser als auf dem Land. Kaum zu glauben, stimmt aber.
28.08.2010
Von Cornelius Wüllenkemper

Honig beflügelt seit Jahrtausenden die Fantasie der Menschen und wird als gesunde, wohlschmeckende und sinnliche Delikatesse genossen. In Berlin kann man erleben, dass Honiggewinnung zu einem neuen Trend unter Großstädtern geworden ist. Ruhe, die Arbeit im Grünen, gesundes Essen und die Nähe zur Natur – die Imkerei lockt nicht nur die Städter in ihre Schrebergärten, sondern auch die Bienen vom Land in die Großstadt.

"Honigtau! Honigtau! Die Äste sind über und über voll. Süß duftet jeder Baum", schrieb der österreichische Schriftsteller Georg Rendl 1931 in seinem "Bienenroman", eine von unzähligen literarischen Lobeshymnen auf das "süße Gold" und die mühselige Arbeit der emsigen Insekten. Honig ist nicht nur seit Menschengedenken ein Symbol für Geschenke, sinnliche Freuden und die Schönheit der Natur in der Blütezeit. Bienen gelten den Menschen zudem als Vorbild in Punkto Arbeitseifer und Kooperation. "Was wir von den Bienen lernen können? Ganz einfach: soziales Verhalten", sagt Jürgen Hans, der Vorsitzende von 600 Imkern der Imker-Vereinigung Berlin. Unweit von der Stadtautobahn, mitten in der Metropole, auf einem Schulgartengelände, unterhält Hans seine kleine Imkerei. Die Honigernte ist für dieses Jahr eingefahren, jetzt werden die Bienen mit einer Zuckerlösung nachgefüttert, damit sie unbeschadet über den Winter kommen.

600 Kilo Honig als Ernte

Bis zu 20 Bienenvölker betreut Hans im Sommer, jedem Volk gehören dann etwa 60.000 Bienen an, bevor sich ihre Zahl im Winter auf 17.000 reduziert. Sechshundert Kilo Honig entstehen so innerhalb weniger Monate, den der Hobby-Imker auf Wochen- und Weihnachtsmärkten verkauft. Früher war der 53-Jährige Kriminalbeamter, heute hat er sich einem ruhigerem Geschäft verschrieben, das immer mehr Menschen in der Großstadt als entspannten Ausgleich und Besinnung auf die Geschenke der Natur verstehen. So wie im 10.000 Quadratmeter großen Schulgarten in Berlin-Steglitz. Die Imkerei in der Großstadt fördert nicht nur das Naturbewusstsein der Stadt-Menschen, auch die Bienen fühlen sich offensichtlich hier, ziemlich genau im geographischen Zentrum Berlins, wohler als auf dem Lande.

30 Kilo Honig produziert ein Volk im Schnitt in der Stadt, im Umland ist es etwa die Hälfte. Was zunächst unwahrscheinlich klingen mag, kann Jürgen Hans anschaulich erklären: Die Blütezeit der verschiedenen Pflanzen sei in landwirtschaftlich geprägten Gegenden um einiges kürzer als in einer grünen Großstadt wie Berlin, wo der Tisch für die Bienen durch zahlreiche unterschiedliche Blumen- und Pflanzenarten reich gedeckt sei. "Die Bedingungen in der Stadt sind einfach besser: auf dem Lande blühen die Obstbäume und der Rapps, ein paar Sonneblumen und das war's". Friedhöfe, Gärten, Parks und begrünte Alleen in der Innenstadt duften dagegen sehr viel länger, zum Beispiel nach Lindenblüten.

Stadthonig ist weniger belastet

Auch die Qualität des Honigs in der Stadt ist höher: Durch den Gebrauch von Pestiziden und Düngemitteln in der intensiven, schädlingsanfälligen Nutzlandwirtschaft ist das Endprodukt stärker durch Schadstoffe belastet als der Stadthonig. Abgase und andere Luftbelastungen in der Metropole werden nicht so schnell vom Blütennektar aufgenommen und gelangen somit nicht in die Nahrungskette. Die Bienenwirtschaft verlagert sich deswegen zusehends in städtische Räume. Landwirte bestellen mittlerweile gar Bienenstöcke von Imkern aus der Stadt, damit die Bienen ihre Obstbäume bestäuben. Wer als Landwirt nur auf die Bestäubung seiner Obstbäume per Wind setzt, muss mit einem Ernteausfall von 50 – 60 Prozent setzen. Etwa drei Wochen im Jahr lohnt es sich aber auch für einen Stadtimker, seine Stöcke aufs Land zu fahren, um die Bienen dort Nektar sammeln zu lassen, aus dem dann nach Verdickung und Zugabe körpereigener Stoffe der Honig entsteht.

Nur etwa sechs Wochen währt das Leben einer Arbeiterbiene im Sommer, wenn jedes etwa ein Gramm schwere Tier ein bis zwei Teelöffel Honig produziert. Die gesamte Winterzeit überstehen sie dagegen in kugelförmiger Formation in ihrem Nest. Die Flügelmuskulatur dient den Bienen dann als Wärmelieferant gegen den Frost Durch die Rotation der Tiere von Innen nach Außen finden Belüftung und Wärmeaustausch statt. Auch hier sind die Bienen ein Vorbild an Zusammenarbeit, sozialem Denken und Effizienz. Vom "fleißigen Bienchen" will Jürgen Hans dennoch nicht sprechen. "Manchmal denke ich eher: faule Bande", sagt der Vorsitzende des Berliner Imkerverbandes mit einem Lachen. Das Vorgehen der Bienen sei vor allem extrem ökonomisch: So werden gezielt nur Flächen angeflogen, die besonders blütenreich und die höchstens drei Kilometer vom Bienenstock entfernt sind. Nach einigen Wochen intensiver Arbeit im Sommer dauert die Winterpause der Bienen dann mehrere Monate.