Hollywood goes Potsdam: Immer mehr Neuansiedlungen

Hollywood goes Potsdam: Immer mehr Neuansiedlungen
Der Name ist Geschichte: Babelsberg. Doch die Zukunft hat für die Filmstudios längst begonnen. Oscar-Filmhits wie "Inglourious Basterds" locken die Macher aus Hollywood nach Potsdam.
17.08.2010
Von Marion van der Kraats

Mit Superlativen kann Studio Babelsberg klotzen: Ältestes Großatelier der Welt, Europas größter Studiokomplex, fast 100-jährige Geschichte, erstes deutsches Tonfilmatelier. Unvergessen der Film "Metropolis" made in Babelsberg, Marlene Dietrich in "Der Blaue Engel" (1930) oder Heinz Rühmann in der "Feuerzangenbowle" (1933). Geschichte, die jeder Regisseur oder Produzent kennt. Verbunden mit moderner Technologie macht sie den Filmstandort Babelsberg zum Hit: Hollywood goes Potsdam. Über 100 Unternehmen der Film- und Medienbranche haben sich inzwischen im Umfeld angesiedelt. Weitere wollen folgen. Auch Oscar-Preisträger Volker Engel will sich dauerhaft in Brandenburg niederlassen.

"Die Akquise hier ist wirklich gut"

Der Trickspezialist wurde 1997 für seine Arbeit an Roland Emmerichs Action-Spektakel "Independence Day" mit dem begehrten Preis geadelt. Engel gilt als Genie seines Fachs und arbeitet aktuell wieder mit Emmerich zusammen für das Shakespeare Historiendrama "Anonymous", das komplett in Potsdam gedreht wurde. "Babelsberg - das ist Filmgeschichte", schwärmt Engel. Doch Hollywood ist knallhartes Geschäft - Nostalgie reicht da kaum für einen Standortausbau.

"Die Akquise hier ist wirklich gut", lobt Engel. Er führt dies insbesondere auf das Engagement von Carl Woebcken und Christoph Fisser zurück, Gesellschafter der Filmbetriebe Berlin Brandenburg GmbH (FBB). Das Münchner Duo hat das Filmstudio Babelsberg im Juli 2004 übernommen, zwei Jahre später mieteten sie neben dem Filmgelände zwei Industriehallen an - und verdoppelten damit nahezu die Flächen.

Ohne Zuschüsse läuft nichts

2007 verbuchte das Unternehmen das erfolgreichste Geschäftsjahr seit der Privatisierung 1992 - allein zwölf Kinofilme wurden produziert. "So ein Erfolg beruht sehr auf persönlichen Kontakten", meint Engel. Der persönliche Draht zu Hollywood-Größen gepaart mit Professionalität - so will Babelsberg den führenden Studios wie Hollywood und London Konkurrenz machen. Mit Preisen überhäufte Filme wie "Der Vorleser" mit Kate Winslet, Roman Polanskis "Der Pianist" oder "Inglourious Basterds" von Quentin Tarantino, bei denen Studio Babelsberg Koproduzent war, sorgen für Aufmerksamkeit in der Branche.

"Nun weiß man, was in Babelsberg möglich ist. Der Stein ist ins Rollen gebracht", sagt Visual-Effects-Experte Engel. Ohne Förderung werden diese jedoch auch schnell ausgebremst. Eine zentrale Bedeutung kommt dem Deutschen Filmförderfonds (DFFF) zu, der vor drei Jahren aus der Taufe gehoben wurde. Ohne diese Zuschüsse ließen sich Auftraggeber wie Paramount Pictures, Warner Studios oder Universal - weltweit die bedeutendsten Produktionsfirmen - nicht anlocken.

Doch das deutsche Fördersystem birgt Nachteile, meint Fisser. Bei maximal 20 Prozent der in Deutschland ausgegebenen Produktionskosten ist Schluss. Bei richtig teuren Filmen wie "Harry Potter" könne Babelsberg darum nicht mithalten. Fisser und Woebcken kämpfen für den Erhalt der nicht unumstrittenen Förderung und hätten am liebsten eine Erhöhung der Beiträge.

Post-Produktion immer wichtiger

Mit den technisch immer aufwendigeren und trickreicheren Filmen wird die Post-Produktion wichtiger. Von der boomenden Branche profitiert der Standort Potsdam bereits - und will es noch viel mehr tun. "Das Filmland Brandenburg hat sich in der jüngeren Vergangenheit sehr dynamisch wickelt", berichtet Alexander Gallrein, Sprecher der Brandenburger Wirtschaftsförderungsgesellschaft (ZAB).

Gerade die Digitalisierung führe zu zahlreichen Ansiedlungen. So sei Pixomondo, Spezialist für digitale Medien und Special Effects, seit 2008 auf dem Studio Gelände ansässig und habe sich ausgeweitet. Aber auch im Internet und der Computer-Spiele-Branche sehen Experten große Potenziale. Anreize bieten die Hochschule für Film und Fernsehen (HFF), die älteste und größte der bundesweit fünf Medienhochschulen, sowie das 1998 gegründete Hasso-Plattner Institut (HPI). "Durch die örtliche Nähe der Unternehmen und der Hochschulen ist ein gewinnbringender Know-how-Transfer möglich", meint Gallrein.

Ein weiterer Pluspunkt ist das Unternehmensnetzwerk media.net berlinbrandenburg mit inzwischen über 250 Mitgliedern. Ein Netzwerk, das auch Thomas Mulack, Vertriebs- und Produktionsmanager von MAT (Mad about technology), schätzt. Weitere Argumente waren die "herausragende Infrastruktur" und die gute Anbindung an die Ausbildungsstätten. "Wir haben hier optimale Bedingungen für unser Geschäft vorgefunden", so Mulack.

Hintergrund: Filmstudio Babelsberg

Am 12. Februar 1912 fiel in Babelsberg die erste Klappe zu Urban Gads Stummfilm "Der Totentanz". 1921 übernahm die 1917 gegründete Universum Film AG (Ufa) die Regie in Babelsberg und errichtete 1926 für die Großfilmproduktion "Metropolis" von Fritz Lang ein Großatelier - die heutige "Marlene Dietrich Halle".

Mit dem Bau des ersten deutschen Tonfilmateliers in Babelsberg, dem "Tonkreuz", begann 1929 ein neues Kapitel der Filmgeschichte. "Melodie des Herzens" mit Willy Fritsch war der erste deutsche komplett vertonte Spielfilm Deutschlands. 1930 folgte die Uraufführung von "Der Blaue Engel" von Josef von Sternberg mit Marlene Dietrich in der Hauptrolle.

Die wirtschaftlichen Rezessionen Ende der 20er Jahre bringen die Ufa an den Rand des Ruins. In der Nazi-Zeit ab 1933 werden unter der Aufsicht des "Ministeriums für Volksaufklärung und Propaganda" eine Anzahl NS-Propagandafilme gedreht. Die Hauptaufgabe des Studios ist jedoch die Produktion von Unterhaltungsfilmen. Die Stars der Zeit: Zarah Leander, Heinz Rühmann und Hans Albers. Von 1933 bis 1945 wurden rund 1.000 Spielfilme in Babelsberg gedreht.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde bereits im Mai 1946 wieder gedreht. Der Film "Die Mörder sind unter uns" mit Hildegard Knef und Ernst Wilhelm Borchert entstand. Am 17. Mai 1946 wurde die deutsch-sowjetische Aktiengesellschaft "DEFA" (Deutsche Film AG) gegründet. Bis 1990 wurden 1.240 Spiel- und Fernsehfilme produziert. "Jakob der Lügner" wurde 1976 als einziger DDR-Film für einen Oscar nominiert. International ist die DEFA-Periode nicht so bekannt.

Im August 1992 verkaufte die Treuhandanstalt die ehemaligen DEFA-Filmstudios an den französischen Konzern Compagnie Générale des Eaux (heute: Vivendi Universal). Das Unternehmen investierte in den folgenden zwölf Jahren rund 500 Millionen Euro am Standort.

Im Juli 2004 kaufte die Filmbetriebe Berlin Brandenburg GmbH (FBB) die Studios. Im Frühjahr 2005 wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. 2006 mietete Studio Babelsberg zwei große Industriehallen und konnte damit die Studiofläche fast verdoppeln. 2007 wurden zwölf Kinofilme produziert. Der Deutsche Filmförderfonds (DFFF) trat in Kraft.

dpa