TV-Tipp des Tages: "Polizeiruf: Kleine Frau" (WDR)

TV-Tipp des Tages: "Polizeiruf: Kleine Frau" (WDR)
Eine Mutter hat offenbar ihren Sohn erschlagen. Blutüberströmt irrt Lisa Schneider durch die nächtliche Stadt. Die vermeintliche Mordwaffe, ein Kerzenständer, trägt ihre Fingerabdrücke, der Fall ist klar.
17.08.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Polizeiruf: Kleine Frau", 19. August, 20.15 Uhr im WDR

Normalerweise spielt die Familie in den Krimis mit Johanna Herz keine große Rolle. Diesmal schon, denn in der Beziehung der Kommissarin zu ihrer aufmüpfigen Tochter spiegelt sich der aktuelle Fall: Eine Mutter hat offenbar ihren Sohn erschlagen. Blutüberströmt irrt Lisa Schneider durch die nächtliche Stadt. Die vermeintliche Mordwaffe, ein Kerzenständer, trägt ihre Fingerabdrücke, der Fall ist klar. Doch Herz (Imogen Kogge) hat Zweifel: Der Sohn ihrer einstigen Schulfreundin (Johanna Gastdorf) war zwar ein Nichtsnutz, doch deshalb pflegen Mütter ihre Kinder in der Regel nicht zu ermorden. Ohnehin stellt sich rasch heraus, dass der Kerzenständer gar nicht die Tatwaffe war.

Während der Leiter der Mordkommission die Akten trotzdem schließen will, weil die Mutter geständig ist, bleibt Herz hartnäckig. Bei ihren Freundinnen von früher, zu denen sie jeden Kontakt verloren hat, macht sie sich damit ziemlich unbeliebt. Kein Wunder: In allen Familien brodelt es. Wie Johanna Herz, so haben auch sie Ärger mit ihren erwachsenen Kindern, die den Eltern mit unverhüllter Verachtung begegnen. Der tote Junge hat es offenbar besonders arg getrieben. Es gibt nicht wenige, die über seinen Tod alles andere als unglücklich sind; darunter auch sein Freund Kai (Marlon Kittel), denn der hat nun freie Bahn bei der hübschen Svenja (Pauline Knof). Wen will Lisa Schneider schützen?

Abgesehen von den wie stets amüsanten Auftritten Horst Krauses als Polizeihauptmeister Horst Krause ist dieser „Polizeiruf 110“ aus Potsdam ungewöhnlich ernst. Kein Wunder: Andreas Kleinert, der ein Drehbuch von Stefan Rogall verfilmte, ist kein Mann für Komödien. Mit seinen Schweriner Beiträgen zu der ARD-Reihe hat er ein paar ziemlich düstere, gleichwohl Grimme-preisgekrönte Kapitel beigetragen. Auch diesmal inszeniert Kleinert, nebenbei zudem Fachmann für Familiendramen (unvergessen: der erschütternde Alzheimer-Film „Mein Vater“), fast bedächtig und mit viel Raum für die Darsteller. Vordergründige Spannung, Action gar oder fröhlich frotzelnde Kommissare sucht man hier vergebens. Sehenswert ist „Kleine Frau“ trotzdem; oder gerade deshalb.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).