Pakistan in Not - aber noch keine Cholera-Epidemie

Pakistan in Not - aber noch keine Cholera-Epidemie
Die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" sieht derzeit noch keine Anzeichen für eine Cholera-Epidemie in den überfluteten Gebieten Pakistans. Derweil kämpft das Land mit einem diplomatischen Dilemma: Die Regierung weiß nicht, wie sie mit einem Hilfsangebot des Erzfeindes Indien umgehen soll. Außerdem fällt in Pakistan der Nationalfeiertag dieses Jahr aus.
14.08.2010
Von Anja Sokolow

"In Pakistan gibt es immer wieder Fälle von Cholera. Derzeit haben wir aber keine alarmierenden Zahlen", sagte der Präsident der deutschen Sektion von Ärzte ohne Grenzen, Tankred Stöbe. Entwarnung könne er aber nicht geben. "Die Situation ist unsicher, weil wir nicht wissen, wie es weiter geht." Viele Gebiete seien noch gar nicht zugänglich, sagte Stöbe. Im nordpakistanischen Swat-Tal war am Freitag nach Angaben der Hilfsorganisation Malteser International der erste Fall von Cholera bestätigt worden.

Entlang der Flüsse seien rund 14 Millionen Menschen vom Hochwasser betroffen. Die "Ärzte ohne Grenzen" hätten bislang rund 9.000 Menschen in den Krisengebieten rund um Nowschera behandelt. Zu den Beschwerden hätten vor allem kleinere Verletzungen gezählt, wie etwa Knochenbrüche und Hauterkrankungen. Darüber hinaus seien Durchfall- und Atemwegserkrankungen behandelt worden. Die hygienischen Zustände hätten sich vor allem wegen des Mangels an sauberem Trinkwasser deutlich verschlechtert, erklärte der Arzt.

Inzwischen 14 Millionen Menschen betroffen

"Sorgen machen uns Gebiete, die noch nicht erreichbar sind", sagte Stöbe. Wegen zerstörter Brücken und Straßen seien viele Orte nicht zugänglich. Die Situation könne sich zudem durch erneute, starke Regenfälle verschlechtern. Noch mindestens vier bis sechs Wochen seien größte Anstrengungen der Helfer nötig, schätzt Stöbe.

Er betonte, dass er aufgrund der schlechten medizinischen Versorgung vieler Gebiete und der schwierigen Datenlage nur über Regionen Auskunft geben könne, in der die 1.200 Mitarbeiter der Organisation im Einsatz seien. Derzeit sei dies vor allem der Nordwesten. Positiv im Vergleich zu anderen Krisengebieten wie etwa im Erdbebengebiet Haiti sei, dass wichtige Krankenhäuser erhalten blieben.

Die Zahl der Toten bei der Jahrhundertflut stieg nach Angaben des Katastrophenschutzes unterdessen leicht auf 1.392. Fast 900.000 Häuser wurden beschädigt. Nach UN-Angaben sind etwa 14 Millionen Menschen von der Katastrophe betroffen, davon sechs Millionen Kinder. Meteorologen sagten vereinzelte, teilweise aber schwere Regenfälle in den kommenden Tagen voraus.

Indien bietet Pakistan vier Millionen Euro

Angesichts der Katastrophe im Nachbarland hat Indien Fluthilfe angeboten und die Regierung in Islamabad damit in ein Dilemma gestürzt. Die pakistanische Zeitung "Dawn" berichtete am Samstag unter Berufung auf Regierungsquellen in Islamabad, das Angebot des Nachbarstaats sei nicht umgehend abgelehnt worden. Es werde demnächst entschieden, wie damit umzugehen sei. Die pakistanische Regierung hat mehrfach an das Ausland appelliert, das Land wegen der Jahrhundertflut finanziell stärker zu unterstützen.

"Dawn" berichtete weiter, der indische Außenminister S.M. Krishna habe seinem pakistanischen Amtskollegen Shah Mehmood Qureshi bei einem Telefonat fünf Millionen Dollar (3,9 Millionen Euro) Fluthilfe angeboten. Das sei eine "Geste der Solidarität mit dem pakistanischen Volk in dessen Stunde der Not".

Indien und Pakistan haben seit ihrer Unabhängigkeit von britischer Kolonialherrschaft 1947 drei Kriege gegeneinander geführt. Anfang 2004 nahmen die beiden südasiatischen Atommächte Friedensgespräche auf, die aber seit der Terrorserie von Mumbai auf Eis liegen. Die Anschläge in der indischen Wirtschaftsmetropole im November 2008 hatten die Beziehungen zwischen den Nachbarn schwer belastet. Indien wirft der pakistanischen Regierung vor, nicht ausreichend gegen muslimische Terrorgruppen vorzugehen. Nach Überzeugung der Regierung in Neu Delhi wurden die Angriffe von Mumbai in Pakistan vorbereitet.

Nationalfeiertag ohne Feier und Zeremonien

Wegen der Flutkatastrophe begeht Pakistan den 63. Jahrestag der Unabhängigkeit von britischer Kolonialherrschaft ohne offizielle Feierlichkeiten. Präsident Asif Ali Zardari und das Militär sagten die Zeremonien für den Nationalfeiertag am Samstag, 14. August, ab. Zardari wollte Medienberichten zufolge stattdessen Flutopfer in den Provinzen Punjab und Khyber Pakhtunkhwa besuchen. Die Armee wollte die Mittel, die für die Feierlichkeiten vorgesehen waren, Opfern der Katastrophe spenden.

Unterdessen wurde UN-Generalsekretär Ban Ki Moon am Samstag in Pakistan erwartet. Pakistanische Medien berichteten, die Ankunft in Islamabad sei am Abend geplant. Am Sonntag wolle Ban dann mit Regierungsvertretern zusammenkommen und das Katastrophengebiet besuchen. Bans Sprecher Martin Nesirky hatte am Freitag in New York gesagt: "Der Generalsekretär plant eine Reise nach Pakistan, aber die Vorbereitungen sind noch nicht abgeschlossen."

dpa