Spannung vor "Kill"-Manöver im Golf von Mexiko

Spannung vor "Kill"-Manöver im Golf von Mexiko
BP-Vertreter sprechen von einem "Todesstoß": Nach über 100 Tagen Ölpest im Golf von Mexiko will der Konzern die Quelle im Meeresboden endgültig versiegeln. Weltweit herrscht Spannung: Wird das mehrtägige Doppelmanöver gelingen?

Hoffen und Bangen am Golf von Mexiko: Auf Hochtouren liefen am Montag die letzten Vorbereitungen auf ein Doppelmanöver, mit dem das Ölleck im Meeresboden ein für alle Mal geschlossen werden soll. Spätestens am Dienstagmorgen wollte BP damit beginnen, das Bohrloch mit Schlamm und Zement zu versiegeln - zunächst von oben, dann von unten.

BP: "Wir sind gut auf 'Static Kill' vorbereitet"

BP und die US-Regierung zeigten sich optimistisch, dass die Operation mehr als drei Monate nach Beginn der Katastrophe gelingt. Aber vor voreiligem Überschwang wurde dennoch gewarnt. "Wir sollten noch keinen Nachruf auf dieses Ereignis (das Ölleck) schreiben", sagte der Einsatzleiter der Regierung, Thad Allen. Topmanager Doug Suttles von BP beruhigte aber: "Wir sind gut vorbereitet. Ich habe großes Vertrauen, dass wir erfolgreich sein werden."

Als erster Schritt war eine Operation geplant, die von Experten als "Static Kill" bezeichnet wird. Dabei wird durch den Deckel, mit dem das Bohrloch seit dem 15. Juli provisorisch abgedichtet ist, schwerer Schlamm gepumpt. Öl und Gas sollen so zurück in das Reservoir gezwungen werden, aus dem sie nach oben drängen. Wenn der Druck im Bohrloch stabil bleibt, wird es mit Zement versiegelt.

Phase zwei: Ölquelle von unten verschließen

Vielleicht schon nach mehreren Stunden, so hieß es am Montag, wird es einen Hinweis darauf geben, ob das schätzungsweise zweitägige Manöver klappen wird. Gelingt es, so erläuterten Experten, wäre der geplante zweite Teil der Operation theoretisch eigentlich gar nicht mehr nötig, die Quelle schon versiegelt. Aber man wolle doppelt und dreifach sicher gehen. "Es ist so, als ob man eine Leiche zwickt, um sicherzugehen, ob die Person wirklich tot ist", formulierte es ein Experte.

So soll denn fünf bis sieben Tage nach Beginn der Phase eins die zweite folgen. Dann will BP die Quelle auch von unten verstopfen. Durch einen Nebenzugang, an dem seit Mai gebohrt wurde, sollen wiederum Schlamm und Zement ins Bohrloch gepumpt werden - dieses Mal mehr als fünf Kilometer tief im Meeresboden.

Suttles versprach unterdessen Tausenden von Fischern, die durch die Ölpest arbeitslos geworden sind, dass es jetzt voran gehe. Der BP-Manager unternahm eine Bootstour durch Küstengewässer vor Louisiana, die nach monatelanger Sperrung Ende vergangener Woche wieder für die Fischerei geöffnet worden waren. Er würde Fisch aus diesem Wasser essen, sagte Suttles vor Journalisten, und er würde ihn auch seiner Familie zu essen geben.

Experte: Zähe Flüssigkeit drängt Öl zurück in Lagerstätte

Mit einem speziellen Manöver namens "Static Kill" will BP das Leck am Meeresboden im Golf von Mexiko endgültig verschließen. Der Direktor des Institutes für Bohrtechnik und Fluidbergbau an der TU Bergakademie Freiberg, Professor Matthias Reich, erklärt das Verfahren in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.

Wie soll das Bohrloch verschlossen werden?

Professor Matthias Reich: "Um ein Bohrloch richtig zu verschließen, muss der Druck vom Bohrlochkopf genommen werden. Man muss irgendetwas in das Bohrloch bringen, das einen Gegendruck zu dem nach oben drückenden Öl erzeugt. Und das ist eine schwere Bohrspülung."

Was ist eine schwere Bohrspülung?

Reich: "In den Medien wird immer von Schlamm gesprochen. Aber Bohrspülung ist eine sehr komplexe Flüssigkeit, die von Experten im Labor zusammengestellt wird. Sie ist zähflüssig und in diesem Fall sehr schwer. Diese Spülung will man von oben durch den Deckel in die Bohrung bringen. Je mehr von dieser schweren Spülung in das Bohrloch gepumpt werden kann, desto stärker drückt diese Bohrspülung nach unten und schiebt das Öl schließlich zurück in seine Lagerstätte."

Wie kommt die Bohrspülung in das Loch?

Reich: "Von einem Schiff werden Leitungen bis an den sogenannten Blowout-Preventer verlegt. Das ist die Verschlusskappe, die jetzt auf dem Bohrloch sitzt. Es ist eine sehr komplizierte Kappe - ein komplexes System aus Ventilen, Zu- und Abgängen. Die Leitungen werden von Unterwasserrobotern installiert und dann kann mit den Pumparbeiten begonnen werden."

Auch Zement soll in das Bohrloch gepumpt werden, oder?

Reich: "Wenn in der Bohrung die schwere Spülung nach unten und in der Lagerstätte das Öl nach oben drückt und alles genau ausbalanciert ist, dann fließt nichts mehr. Dann kann man gezielt Zement in die Bohrung pumpen und er bleibt am Ausgang der Lagerstätte. Dort kann er aushärten und dann ist die Lagerstätte wieder versiegelt. Dann ist das Öl wieder da eingesperrt, wo es auch Millionen Jahre vorher sicher eingeschlossen war, nämlich in seiner Lagerstätte."

In einem zweiten Schritt soll das Leck von unten verschlossen werden?

Reich: "Vor wenigen Wochen war noch nicht klar, ob das Bohrloch mit einem Deckel verschlossen werden kann. Deswegen wurde Anfang Mai mit einer Entlastungsbohrung begonnen, damit von unten Bohrspülung eingepumpt werden kann. Es ist leichter, die Spülung unten einzubringen, denn die Flüssigkeit wird mit dem aufsteigenden Öl nach oben gerissen und so füllt sich der Kanal mit Bohrspülung. Inzwischen hat man aber oben einen Deckel, so dass nun beide Möglichkeiten gleichzeitig bestehen."

dpa