In den Regalen der Gerichtsmedizin von Tucson im Bundesstaat Arizona stapeln sich die Leichensäcke. Sein Amt habe Platz für etwa 200 Leichen, aber gegenwärtig habe er mehr als 300. Die meisten Getöteten hätten die Grenze von Mexiko in die USA überquert, sagte Gerichtsmediziner Bruce Parks Ende Juli der "New York Times". Nur bei etwa drei Vierteln könne er nach oft langer Arbeit die Identität ermitteln.
Der Kampf um ein besseres Leben
In Arizona führt der Weg der Einwanderer fast zwangsläufig durch die unwegsame Sonora-Wüste. Dort steigen die Temperaturen auf mehr als 40 Grad. Wasser gibt es kaum. Pastor Randy Mayer von der "Good Shepherd"-Gemeinde der protestantischen "Vereinigten Kirche Christi" im Städtchen Sahuarita, etwa 40 Kilometer südlich von Tucson, erlebt die tragischen Folgen des Kampfes um ein besseres Leben hautnah: Seit sechs Jahren schicke seine Gemeinde fast jeden Tag Freiwilligenteams mit Geländewagen in die Wüste, beladen mit Wasser, Lebensmitteln, Verbandszeug und Medikamenten, sagte Mayer dem epd. Sie hätten wohl Tausende gerettet. Extreme Hitze, nichts als Felsen, Berge und Kakteen, da verliere man schnell die Orientierung. Die illegalen Einwanderer seien oft tagelang unterwegs.
Nach Statistiken der US-Grenzpolizei "Border Patrol" kamen im vergangenen Jahr 417 Menschen beim Überqueren der Grenze von Mexiko in die USA ums Leben, wie das Politikforschungsinstitut "National Foundation for American Policy" berichtete. Die Kontrollen an den mehr als 3.000 Grenzkilometern sind in den vergangenen Jahren drastisch verschärft worden. Mauern und Zäune wurden gebaut, die Zahl der Grenzpolizisten wurde mehr als verdoppelt auf 20.000. Im Jahr 2009 seien 556.000 illegale Grenzüberquerer festgenommen worden, berichtet die "Border Patrol." Daher nehmen die Einwanderer immer größere Risiken auf sich, und machen sich oft mit Hilfe organisierter Menschenschmuggler auf in die gefährliche Wüste von Arizona, wo die Grenze etwas weniger scharf gesichert ist als in der Nähe von größeren Städten.
Kirchliche und humanitäre Gruppen retten Menschen in der Wüste
Mehrere kirchliche und humanitäre Gruppen sind in Arizona tätig, um Menschen in der Wüste zu retten. Ganz egal, wie viele Mauern und Zäune die Regierung bauen lasse, die Migration vom Süden in den so viel wohlhabenderen Norden lasse sich nicht stoppen, sagte Mayer. Da sei der Auftrag für Christen eindeutig, den Fremden zu helfen. Seine Beziehungen zur "Border Patrol" und den US-amerikanischen Ranchern an der Grenze seien gut. Ein Rancher habe Mayers Helfer sogar Trinkwasserhähne an Bewässerungsanlagen anschließen lassen. Nach Angaben der "Border Patrol" haben Beamte im unmittelbaren Grenzgebiet im Südwesten der USA knapp 1.300 Menschen das Leben gerettet.
Menschenrechtler verlangen ein humanes Einwanderungsrecht. Die "National Foundation for American Policy" schlug ein Umdenken vor: Man solle ein "Gastarbeiterprogramm" mit zeitlich begrenzten Aufenthaltsgenehmigungen einführen. Das würde die Zahl der illegalen Grenzüberquerer, den damit verbundenen Menschenschmuggel und die Kriminalität sowie die Zahl der Todesfälle an der Grenze reduzieren.
Die politische Realität: Wetteifern nach sicheren Grenzen
Die politische Realität aber deutet eher in die entgegengesetze Richtung. Politiker der Demokratischen und der Republikanischen Partei wetteifern mit Forderungen nach sicheren Grenzen. Präsident Barack Obama hat Einheiten der Nationalgarde zur Verstärkung der "Border Patrol" in die Grenzregionen befohlen.
Die Gouverneurin von Arizona, Jan Brewer, will das innerhalb der USA schärfste Gesetz zur Eindämmung illegaler Einwanderer durchsetzen. Die Polizei solle bei "angemessenem Verdacht" des illegalen Aufenthalts Passanten kontrollieren und sogar festnehmen dürfen. Ein Gericht hat Brewers Projekt gestoppt, aber mehrere Bundesstaaten planen ähnliche Vorschriften. Nach Angaben des US-Ministeriums für Heimatschutz leben gegenwärtig etwa elf Millionen Menschen ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung in den USA.