Es ist eine Geschichte, die zu Tränen rührt. Awet, ein erst zehn Jahre altes Mädchen, gerät mitten in den eriträischen Bürgerkrieg. In einem Militärlager wird sie an Waffen ausgebildet. "Hunger, Einsamkeit und die viele Arbeit im Lager machen ihr das Überleben schwer", heißt es in einer Filmbeschreibung des Senders Arte, der den Spielfilm "Feuerherz" heute ausstrahlen will.
Das Problem: Die anrührende Geschichte über eine Kindersoldatin in Eritrea ist frei nach einer Autobiografie entstanden, die sich inzwischen in Teilen als unwahr herausgestellt hat. Das Buch der Sängerin Senait G. Mehari - erschienen 2004 im Droemer-Verlag - ist daher inzwischen auch nicht mehr im Handel erhältlich. Der Film aber wird als DVD munter weiter vertrieben und nun sogar von einem öffentlich-rechtlichen Sender ausgestrahlt.
Steuer- und Gebührengelder
Kein Wunder. Gefördert wurde der Film mit reichlich Steuer- und Gebührengeldern. Als Co-Produzent des Streifens von Regisseur Luigi Falorni fungierte neben Arte der Bayerische Rundfunk. Geld floss unter anderem auch vom Deutschen Filmförderfonds (DFFF) und der Europäischen Union. Über 2,5 Millionen Euro Steuergelder wanderten so in die Produktion, obwohl den Machern bekannt war, dass die angebliche Autobiografie "Feuerherz" in Wahrheit eher ein Roman ist: viel Fiktion! Doch den Film nicht zu senden, wäre Arte wohl als Fehlinvestition erschienen. "Wir bedauern, dass in diesem Kontext ein Teil des Filmbudgets aus Gebührengeldern stammt. Dennoch denken wir, dass diese Art von Filmen, die eine kaum bekannte historische Problematik zeigen, existieren müssen", teilte Arte evangelisch.de mit.
Peter Disch hat den Fall Senait Mehari umfassend recherchiert. Die Ergebnisse seiner Recherchen hat er in einem Blog zusammengefasst und kommt unter anderem zu dem Ergebnis, dass das in der angeblichen Autobiografie beschriebene Militärlager in Wahrheit eine Schule gewesen sei. Der Eritrea-Kenner Günter Schröder hat ein Gutachten zu dem Buch "Feuerherz" verfasst und darin diverse Unstimmigkeiten in der Geschichte von Senait Mehari dargelegt. "Ich bin mir sicher, dass Senait Mehari die in ihrem Buch beschriebenen Ereignisse so nicht erlebt haben kann", sagt er.
Wahre Ereignisse?
Arte ficht das offenbar nicht an. So wenig, wie einst die Macher des Streifens. Der Sender argumentiert auf einem älteren Beitrag auf seiner Internetseite: "Diese Geschichte könnte in vielen Ländern spielen, nicht nur in Eritrea. Das ist das erschütternde und traurige an diesem Film, und deshalb ist der Streit darüber, ob die eritreische Befreiungsbewegung auch zwangsweise Kindersoldaten rekrutiert hat, und ob der Film dem umstrittenen gleichnamigen Bestseller zu weit folgt, ganz irrelevant."
Irrelevant? So einfach kann man es sich machen. Statt der klassischen Formel, der Film beruhe auf einer wahren Geschichte, heißt es über "Feuerherz" nun einfach, er sei von "wahren Ereignissen inspiriert". Immerhin stellte Arte im Vorspann klar, sämtliche Personen des Films seien frei erfunden. Und insbesondere handele es sich bei der Figur der Ma’aza nicht um die im Buch "Feuerherz" so bezeichnete Kommandantin Agaweghata.
Günter Schröder ist dennoch nicht überzeugt. Die in "Feuerherz" dargestellte Geschichte einer zehnjährigen Kindersoldatin kann seiner Ansicht nach zwar durchaus in anderen Ländern spielen, etwa Uganda oder Sierra Leone, aber eben nicht in Eritrea. "In Eritrea sind keine Zehnjährigen an Waffen ausgebildet worden, sie waren auch nicht an Kampfhandlungen an der Front beteiligt", sagt er. Es habe auch keine gezielte Rekrutierungspolitik von Kindern gegeben. Anders ausgedrückt: Das, was sich der normale deutsche Zuschauer unter einem Kindersoldaten vorstellt, deckt sich nach Expertenmeinung nicht mit der Realität in Eritrea. Das Bild, das der Film "Feuerherz" von Eritrea und dem Bürgerkrieg dort vermittelt, wäre demnach so falsch wie einige Behauptungen in dem Buch, auf dem er beruht.
Recherchen des NDR
Das alles müsste Arte bekannt sein. An dem deutsch-französischen Gemeinschaftskanal ist auch die ARD beteiligt. Und die hat sich, in Gestalt der NDR-Journalistin Julia Salden, durchaus kritisch mit dem Buch und dem Film "Feuerherz" befasst. So hatten die Filmproduzenten auf einer Internetseite Dokumente veröffentlicht, mit denen die Teilnahme von Kindersoldaten am Bürgerkrieg von Eritrea belegt werden sollte. Salden prüfte nach und kam zu dem Ergebnis, dass die präsentierten Fotos und Filmdokumente eben keine Kindersoldaten in Kampfeinsätzen zeigten. Die Internetseite mit den angeblichen Beweisen verschwand daraufhin.
Die "Organisation Weißes Friedensband" sieht die Angelegenheit hingegen bis heute anders. "Wir arbeiten weiterhin – genauso wie terre des hommes, Kindernothilfe und andere Organisationen - mit Senait Mehari zusammen, weil wir nach wie vor davon überzeugt sind, dass sie die Wahrheit sagt", sagte Vereinsmitglied Günter Haverkamp evangelisch.de. Auf ihrer Internetseite bietet die Organisation, die sich gegen den Einsatz von Kindersoldaten engagiert, eine "Film-Information-Aktion" für Schulklassen an. In der entsprechenden Information dazu heißt es: "Mit dem Buch "Feuerherz" hat Senait Mehari einen ergreifenden Bericht über ihr Leben als Kind im Krieg der Erwachsenen geschrieben. Die Schauspielerin Radostina Vasileva liest aus dem Buch 'Feuerherz'. Sie schafft eine ganz besondere Atmosphäre."
Unterrichtsmaterial
Auch das Katholische Filmwerk bietet Unterrichtsmaterial zu "Feuerherz" an, die von der "Aktion Weißes Friedensband" erarbeitet wurden, deren Schirmherrin Senait Mehari ist. Die "Zapp"-Recherchen werden darin kritisiert. "Für Jugendliche ist es wichtig zu lernen, dass Medien eigenen Regeln und Kriterien folgen und die Wahrheit durchaus auf den Kopf stellen können", heißt es in dem Material. Journalisten der "Aktion Weißes Friedensband", hätten Dokumente entdeckt, die die Lebensgeschichte von Senait Meharit stützten. Nicht erwähnt wird jedoch in dem Material, dass das Buch "Feuerherz" nach einem Gerichtsvergleich inzwischen nicht mehr vertrieben wird.
Peter Disch sieht den Film "Feuerherz" weiter kritisch. Zwar seien die besonders umstrittenen Stellen aus dem Buch im Film nicht umgesetzt worden, insgesamt haben sich die Macher seiner Ansicht nach aber nicht ausreichend von dem Buch distanziert. "Das sieht man ja schon an der Übernahme des Titels", sagt er. Dass es Kindersoldaten in Eritrea gegeben habe, ist Fakt, sagt auch Disch. Aber: "Der Film balanciert auf einem sehr schmalen Grat. Was gezeigt wird, ist nicht wirklich falsch, schreibt aber in seiner Vereinfachung sämtliche Klischees fort, die schon das Buch transportiert hat und wird so dem vielschichtigen Thema Kindersoldaten nicht gerecht." Unabhängig davon, sei "Feuerherz" ohnehin filmisch durchgefallen. "Ein lahmer Streifen", sagt Disch.
Henrik Schmitz ist Redakteur bei evangelisch.de und betreut die Ressorts Medien und Kultur