TV-Tipp: "Eichmanns Ende – Liebe, Verrat, Tod" (ARD)

TV-Tipp: "Eichmanns Ende – Liebe, Verrat, Tod" (ARD)
Interviewpassagen werden in eine Thriller-Handlung eingebettet: Lothar Hermann, Überlebender des Konzentrationslagers in Dachau, ist überzeugt, dass es sich beim Vater des neuen Freunds seiner Tochter um Adolf Eichmann, ein ehemaliger Vasalle Hitlers, handelt.
21.07.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Eichmanns Ende – Liebe, Verrat, Tod", 25. Juli, 21.45 Uhr im Ersten 

Vielleicht würde sich heute kein Mensch mehr für Adolf Eichmann interessieren, wenn sein Ende nicht so spektakulär gewesen wäre: Der israelische Geheimdienst Mossad entführte den vormaligen Leiter des so genannten Judenreferats 1960 aus seinem argentinischen Refugium. Zwei Jahre später wurde er hingerichtet. Eichmann war während der Nazi-Diktatur für die Deportation der Juden zuständig und so zumindest indirekt für die Ermordung von schätzungsweise sechs Millionen Menschen verantwortlich. Im Gegensatz zu ungleich glamouröseren Vasallen Hitlers wie Joseph Goebbels oder Heinrich Himmler war der unscheinbare, biedere Eichmann jedoch der typische Schreibtischtäter; ein Bürokrat des Teufels.

Für eine biografische Verfilmung wäre dieses Dasein viel zu unspektakulär. Gegen Ende seines Lebens in Freiheit aber stand der frühere Obersturmbannführer dem holländischen Journalisten Willem Sassen, wie Eichmann ehemaliges SS-Mitglied, in einem viele Stunden dauernden Interview Rede und Antwort. In diesen Gesprächen erläutert Eichmann seine Motive und beschreibt, welche Rolle er bei der „Endlösung“, der Vernichtung der Juden, gespielt hat.

Ein grandioser Herbert Knaup

Der vielfach ausgezeichnete Dokumentarfilmer Raymond Ley („Eschede Zug 884“, „Die Nacht der großen Flut“) nutzt die Tonbänder als faszinierendes Dokument eines persönlichen Zwiespalts: Einerseits sieht sich Eichmann als Befehlsempfänger, andererseits prahlt er mit seinen Leistungen. Herbert Knaup ist in diesen langen Monologpassagen grandios. Ulrich Tukur mag als Sassen die deutlich kleinere Rolle haben, doch der provokante Journalist ist als Holocaust-Leugner ein wichtiger Gegenspieler.

Ley bettet die Interviewpassagen in eine Thriller-Handlung: Lothar Hermann (Michael Hanemann), Überlebender des Konzentrationslagers in Dachau, ist überzeugt, dass es sich beim Vater des neuen Freunds seiner Tochter (Henriette Confurius) um Adolf Eichmann handelt. Er verständigt den hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (Axel Milberg), der der von ehemaligen Nazis durchsetzten deutschen Justiz nicht traut und seinerseits den Mossad informiert.

Verzicht auf künstliche Spannung

Ley macht in den entsprechenden Szenen allerdings keinerlei Zugeständnisse und verzichtet völlig darauf, die Spannung künstlich zu steigern. Sein Film orientiert sich ohnehin am Doku-Drama, die Spielhandlungen werden immer wieder durch Interviews mit Zeitzeugen durchsetzt. Einen Bruch dieses Schemas stellt allein das nachgestellte Gespräch mit Eichmanns Frau dar, in deren Rolle eine Schauspielerin schlüpft. Und dass die Argentinier wie in den Auslandsproduktionen der ARD-Tochter Degeto ausnahmslos deutsch sprechen, wirkt in einem Werk dieses Anspruchs erst recht deplaziert.

Um so frappierender ist das verbürgte Schlussbild. Vera Eichmann besucht den Gatten im israelischen Gefängnis, der stellt sich auf einen Stuhl, damit sie ihn von Kopf bis Fuß betrachten kann, und der Blick durch das Besucherfenster nimmt das baldige Ende vorweg: In der kopflosen Einstellung sieht Eichmann aus, als habe man ihn schon gehängt. Die erst kürzlich vom Mossad freigegebenen Verhörprotokolle sind übrigens nicht minder brisant als die Sassen-Interviews. Aber auch ohne Fortsetzung muss Herbert Knaup schon jetzt damit leben, Adolf Eichmann ein Gesicht gegeben zu haben. 


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).