EKD-Chef Schneider: Rücktritte schaden der Kirche

EKD-Chef Schneider: Rücktritte schaden der Kirche
Als "tragisch" hat Präses Nikolaus Schneider, der amtierende EKD-Ratsvorsitzende, den Rücktritt der Hamburger Bischöfin Maria Jepsen bezeichnet. Schneider bedauerte ein offensichtliches "Verständnisproblem".

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, hat den Rücktritt der Hamburger Bischöfin Maria Jepsen im Zusammenhang mit einem Missbrauchsfall als tragisch bezeichnet. Offensichtlich habe es ein Verständnisproblem gegeben, sagte Schneider am Samstag im Deutschlandfunk. Jepsen sei davon ausgegangen, dass der beschuldigte Ahrensburger Pastor jungen Frauen nachsteige, "das ist schlimm genug", und habe entsprechend gehandelt.

Der EKD-Ratsvorsitzende und Präses der Rheinischen Kirche zeigte sich überzeugt, dass Jepsen "mit mehr Nachhaltigkeit" vorgegangen wäre, hätte sie gewusst, dass es sich um Kinder und Jugendliche handelte. Der Bischöfin gingen die Vorwürfe, sie habe auf sexuellen Missbrauch nicht entschieden genug reagiert, sehr nahe. "Frau Jepsen stand ja nun wirklich dafür, den kleinen Leuten nahe zu sein, sich derer anzunehmen, die verfolgt sind", sagte Schneider, der rund 25 Millionen Protestanten in Deutschland repräsentiert.

Jepsen amtsmüde?

Dem Hörfunksender NDR Info sagte Schneider, seiner Ansicht nach schadeten die Rücktritte der Bischöfinnen Margot Käßmann und Maria Jepsen der Kirche. Die Menschen seien irritiert, dass so etwas überhaupt in der Kirche vorkomme, so der Ratsvorsitzende in einem Interview. Andererseits gebe es viel Respekt dafür, wie die beiden Bischöfinnen zu der Verantwortung des Amtes stünden und es "nicht ins Zwielicht" geraten lassen wollten. Ob Jepsen, die erst in zwei Jahren aus dem Amt hätte scheiden sollen, ohnehin amtsmüde gewesen sei, dazu könne er nichts sagen.

Jepsen war vor 18 Jahren zur ersten lutherischen Bischöfin weltweit gewählt worden. Am Freitag trat die 65-Jährige zurück. Gegen Jepsen war der Vorwurf erhoben worden, sie habe bereits 1999 von Missbrauchsfällen eines Pastors in den 70er und 80er Jahren erfahren und die Aufklärung verzögert.

Missbrauchsopfer sehen "keine Schuld"

Missbrauchsopfer und deren Angehörige haben unterdessen erklärt, sie könnten keine unmittelbare Schuld von Frau Jepsen im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen in Ahrensburg bei Hamburg feststellen. "Erst in den letzten Tagen haben wir erfahren, dass Frau Jepsen gar keine Weisungsbefugnis in das Kirchenamt hinein hat", hieß es in einer am Sonnabend verbreiteten Presseerklärung der Betroffeneninitiative Missbrauch in Ahrensburg. Der strukturelle Aufbau der nordelbischen Kirche sei die wesentliche Ursache dafür, dass die schrecklichen Taten in Ahrensburg über so lange Zeit hätten geschehen können.

Der stellvertretende Pressesprecher der Nordelbischen Kirche, Thomas Kärst, bestätigte die Darstellung der Betroffeneninitiative, wonach Jepsen als Bischöfin keine Entscheidungsbefugnis für Versetzungen oder die Eröffnung von Disziplinarverfahren gehabt habe. Dies sei bei Pastoren zunächst der jeweilige Probst und als zweiter Instanz dann der Personaldezernent im Kirchenamt.

Mehrere mögliche Nachfolger

Über die Nachfolge Jepsens wird zunächst der Bischofswahlausschuss beraten und erfahrungsgemäß zwei oder drei Kandidaten benennen. Ein Termin für das erste Treffen des Ausschusses unter Vorsitz des Vorsitzenden der Nordelbischen Kirchenleitung, Bischof Gerhard Ulrich, stehe noch nicht fest, sagte Kärst. Ulrich kündigte im NDR Fernsehen an, eine Synode werde voraussichtlich Anfang nächsten Jahres über die Nachfolge Jepsens entscheiden.

Mit großem Bedauern und Respekt reagierte die Nordelbische Kirche auf den Rücktritt. Es sei "eine besondere Tragik, dass Bischöfin Jepsen mit ihrem Rücktritt Verantwortung für etwas übernimmt, das ihr in keiner Weise als persönliche Schuld angelastet werden kann und darf", sagte Ulrich. Jepsen habe "im Rahmen ihrer Verantwortung getan, was zu tun nötig war - gerade auch in der Frage des Umgangs mit sexuellem Missbrauch".

epd/dpa