Sendezeit für Jehovas Zeugen bei der Deutschen Welle?

Sendezeit für Jehovas Zeugen bei der Deutschen Welle?
Ebenso wie die evangelische und katholische Kirche wollen die Zeugen Jehovas Sendeplätze beim deutschen Auslandsrundfunk – und berufen sich auf dessen Gesetz. Es schreibt vor, verbreitete Religionen "angemessen zu berücksichtigen".
15.07.2010
Von Miriam Bunjes

Auf Bayern 2 senden sie schon. Seit Anfang des Jahres gestalten die Zeugen Jehovas im Wechsel mit anderen Religionsgemeinschaften die Radiosendung "Positionen". "Die Erfahrung mit dieser Sendung hat uns auf gezeigt, wie wichtig Rundfunkarbeit ist und dass wir unsere Rechte im Rundfunkbereich wahrnehmen möchten", sagt Wolfram Slupina vom Informationsbüro der Zeugen Jehovas.

Seit einigen Tagen liegt deshalb ein Brief der Religionsgemeinschaft auf dem Schreibtisch von Deutsche-Welle-Intendant Erik Bettermann. Darin wird er aufgefordert, den Zeugen Jehovas Sendezeit zu gewähren – wie er es ja auch für die katholische und evangelische Kirche tut.

Juristischer Präzedenzfall

Für die Deutsche Welle ist das eine Premiere. "Das ist das erste Mal, dass wir eine solche Anfrage erhalten", sagt DW-Pressesprecher Johannes Hoffmann. "Für uns ist das dadurch ein Präzedenzfall." Bevor der geklärt ist, wird jedoch noch Zeit vergehen. "Wir prüfen den Anspruch jetzt juristisch", sagt Hoffmann. "Es ist eine grundsätzliche Entscheidung, die auch Auswirkungen auf andere Religionsgemeinschaften haben könnte." Der Sender hat daher die Rechtsaufsicht eingeschaltet. Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) soll ein Gutachten zum Fall erstellen lassen. "Erst danach fangen wir hier im Haus an, zu überlegen, was wie und wo möglich ist", sagt Hoffmann.

Die Zeugen Jehovas berufen sich auf das Gesetz der Deutschen Welle. Dort wird im Paragraf 17 die Sendezeit für Dritte geregelt. Der evangelischen und der katholischen Kirche sowie der jüdischen Gemeinde muss die Deutsche Welle Sendeplätze geben – wenn sie das wünschen. Und zwar zur Übertragung von Gottesdiensten und sonstiger religiöser Sendungen. Der nächste Absatz wird die Kernfrage des Antrags der Zeugen Jehovas werden: "Andere über das gesamte Bundesgebiet verbreitete Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts müssen angemessen berücksichtigt werden."

Wie "verbreitet" ist die Glaubensgemeinschaft?

Die Zeugen Jehovas sind nach jahrelangem Rechtsstreit von zwölf Bundesländern als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt worden. Den großen Kirchen sind sie somit fast in ganz Deutschland gleichgestellt. Aber eben nur fast. Sie haben etwa 160.000 Mitglieder. Ist das genug, um als "verbreitet" zu gelten? All das soll im Gutachten geklärt werden.

Die Deutsche Welle überträgt evangelische und katholische Gottesdienste, das "Wort zum Sonntag", das von Protestanten und Katholiken im Wechsel gestaltet wird, und einmal im Monat die Dokumentation "Glaubenssachen".

Lutz Nehk, Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für Deutsche Welle TV und Deutschlandradio Kultur, findet das Anliegen der Zeugen Jehovas nachvollziehbar. "Als sie 2006 Körperschaft öffentlichen Rechts wurden, haben sie einen riesigen Schritt in Richtung Gleichstellung erreicht. Jetzt fordern sie die entsprechende Rechte ein."

Die kirchliche Arbeit im Rundfunk sei aber nicht zu unterschätzen, sagt der Pfarrer. "Man darf nicht einfach lospredigen, sondern muss sich gezielt mit gesellschaftlichen Fragen auseinandersetzen und auch die Formatvorgaben einhalten. Das muss man erstmal lernen." Sendungen von schlechter Qualität könnten alle religiösen Sendungen in Verruf bringen. Eine eventuelle religiöse Konkurrenz im Rundfunk stört ihn nur, "wenn uns dafür Sendeplätze weggenommen werden."

Öffnung als Chance

Thomas Dörken-Kurcharz, Chef vom Dienst der Rundfunkarbeit im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (zu dem auch evangelisch.de gehört), sieht eine Öffnung des Rundfunks für die Zeugen Jehovas auch als Chance. "Alles was die Religionsgemeinschaft dann öffentlich sagt, kann gesellschaftlich breiter diskutiert und eingefordert werden. Zum Beispiel, dass laut den Zeugen Jehovas nur 144.000 Menschen nach dem Tod in den Himmel kommen und sie ja selbst viel mehr sind, ist eine Frage, die in einer öffentlichen Diskussion schwierig aber spannend sein wird."

Es gebe gute rechtliche Gründe, den Zeugen Jehovas den Zugang in die Deutsche Welle einzuräumen. "Das wird aber nicht mit einem Brief an die Deutsche Welle getan sein, es muss sicher eine parlamentarische Entscheidung getroffen werden." Gäbe es diesen gesellschaftlichen Konsens, müssten die etablierten Kirchen die Konkurrenz annehmen. "Das kann ja auch belebend sein."

In Berlin einst schon auf Sendung

Religiöse Werbung ist laut Rundfunkstaatsvertrag nicht zulässig. "Es geht darum, religiöse Antworten auf gesellschaftliche Fragen zu geben", sagt Dörken-Kucharz. "Das ist nicht leicht umzusetzen, die Kirchen haben dafür lange geübt. Man spricht nicht zu seiner eigenen Klientel. Darin liegt eine Chance, es ist aber auch schwieriger."

Die Zeugen Jehovas schreckt das nicht. "Wir haben ja auch interne Tonstudios, in denen wir Inhalte für Tonträger produzieren", sagt Wolfram Slupina. Und der frühere RIAS Berlin habe ebenfalls Sendungen der Gemeinschaft ausgestrahlt. Über inhaltliche Pläne der Zeugen Jehovas will er sich derzeit nicht weiter äußern: "Wir warten erst mal die Entscheidung der Deutschen Welle ab."


Miriam Bunjes ist freie Journalistin und arbeitet in Dortmund.