Manche mögen's heiß: Wenn der Arbeitsplatz zur Sauna wird

Manche mögen's heiß: Wenn der Arbeitsplatz zur Sauna wird
Der heiße Juli macht nicht nur Freude: Während viele Schüler hitzefrei haben und die Kollegen im Urlaub sind, stöhnen Beschäftigte über Saunabedingungen am Arbeitsplatz. Was tun? Vor allem den Arbeitgeber dürfen die tropischen Temperaturen nicht kalt lassen.
14.07.2010
Von Bernd Buchner

Lebenslanges Lernen, so lautet einer Leitsätze der modernen Gesellschaft. Aber hitzefrei wie früher in der Schule bekommen Arbeitnehmer in Betrieben und Verwaltungen deshalb noch lange nicht. "Hitze ist kein Grund, Arbeit zu verweigern", stellt das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt unmissverständlich fest. Klar ist aber auch: Schon bei einer Temperatur von 22 Grad Celsius sinkt die Leistungsfähigkeit arbeitender Menschen - sie werden müde, können sich nicht mehr gut konzentrieren, bekommen Kreislaufprobleme. Das Unfallrisiko steigt.

Die Verantwortung für erträgliche Bedingungen im Büro oder in der Fabrik trägt der Arbeitgeber. Er ist laut Bürgerlichem Gesetzbuch verpflichtet, den Arbeitsplatz so einzurichten, dass für das Leben und die Gesundheit der Arbeitnehmer keine Gefahr besteht. Und je stärker sich der Chef darum bemüht, desto mehr werden seine Beschäftigten bereit sein, auch bei schwierigen äußeren Bedingungen zu arbeiten. Wer seine Leute schwitzen lässt, schneidet sich letztlich ins eigene Fleisch.

Die magische Grenze von 26 Grad

Präzise Regelungen gibt es im deutschen Arbeitsrecht allerdings nicht. Laut Arbeitsstättenverordnung soll in Arbeitsräumen eine Temperatur von 26 Grad Celsius nicht überschreiten. Wohlgemerkt: "soll". Einen Rechtsanspruch gibt es nicht. Nach verschiedenen Gerichtsurteilen gilt die Regel auch nur bis zu einer Außentemperatur von 32 Grad. Wird es heißer, wie es zurzeit der Fall ist, muss es drinnen mindestens sechs Grad kälter sein als draußen. Brütet im Freien also die Sonne und sorgt selbst im Schatten für Temperaturen von 36 Grad, sind am Schreibtisch oder Fließband 30 Grad vertretbar.

Was lässt sich gegen die Hitze tun? Zunächst einmal müssen die Arbeitnehmer mittels Thermometern die dauernde Überhitzung ihres Arbeitsplatzes dokumentieren. Entsprechende Maßnahmen können technischer, organisatorischer oder personenbezogener Art sein. So sind Sonnenblenden, Jalousien, spezielle Fensterverglasungen und Fassadenverkleidungen denkbar, ebenso die Aufstellung von Ventilatoren oder der Einbau von Klimaanlagen. Arbeitgeber, die beim Bau oder Kauf von Immobilien aus Kostengründen auf derlei verzichten, müssen später oft teuer nachrüsten.

Kleiderordnungen aufgehoben

Probate Mittel sind die Verlegung von Arbeitszeiten in die Morgenstunden oder die Verlängerung von Mittagspausen, falls dies betriebsorganisatorisch möglich ist. Fachleute raten dazu, viel Wasser zu trinken. Viele Arbeitgeber heben bestehende Kleiderordnungen auf, so sind etwa die gegenwärtig ohnehin leidgeprüften Bahnschaffner nicht mehr zum Tragen von Jacke und Krawatte verdonnert. Luftdurchlässige Kleidung ist auch beim Meeting im Büro legitim - dagegen empfiehlt es sich weniger, den Kollegen gänzlich unbekleidet unter die Augen zu treten.

Und wenn der Arbeitgeber bei allen Kühlungsmaßnahmen nicht mitspielt? "Das ganze Thema ist rechtlich etwas ungenau geregelt", sagt BAG-Sprecher Christoph Schmitz-Scholemann. "Dazu sind die Arbeitsverhältnisse zu verschieden." Immerhin kann der Betriebsrat verlangen, eine Betriebsvereinbarung zum Schutz vor Hitze zu schließen. Notfalls können sich die Beschäftigten auch an die zuständige Bezirksregierung wenden. Deren Fachleute diskutieren mit dem Arbeitgeber mögliche Maßnahmen und machen Vorschläge. Bleibt der Boss dann noch immer stur, kann ein Bußgeld drohen.

Zwei Millionen arbeiten im Freien

Für die zwei Millionen Beschäftigten in Deutschland, die dauerhaft im Freien arbeiten, etwa im Straßenbau oder in der Landwirtschaft, sind viele der Maßnahmen allerdings wirkungslos. Sie sollten sich mit Sonnenbrillen, Sonnencreme und ausreichenden Kopfbedeckungen durch die Hitze kämpfen, mehr Pausen machen und sich vor allem an das Prinzip "work in pairs" halten - im Zweiergruppen arbeiten und dabei aufeinander aufpassen, dass der andere nicht überhitzt.

Grundsätzlich gilt natürlich auch: Jeder empfindet Hitze anders. "Manche mögen's heiß, andere wieder überhaupt nicht", so Schmitz-Scholemann. Abhängig ist der Unwohlfaktor auch davon, wie viele Menschen sich im Büro befinden und welche Konstitution sie haben. Die "gefühlte" Temperatur steigt durch Luftfeuchtigkeit und fehlende Windzufuhr merklich an. Arbeitnehmer, die Herz- und Kreislaufprobleme haben, können sich auch ein Attest vom Arzt besorgen. Wenn er bestätigt, dass sie von einer bestimmten Temperatur an nicht mehr arbeitsfähig sind, haben auch sie hitzefrei.


Bernd Buchner ist Redakteur bei evangelisch.de und zuständig für die Ressorts Politik und Religion.