Filmkritik der Woche: "Biss zum Abendrot"

Filmkritik der Woche: "Biss zum Abendrot"
Die Schöne und zwei Biester: Mit "Eclipse – Biss zum Abendrot" kommt der dritte Teil der erfolgreichen "Twilight"-Serie nach der Bestellervorlage von Stephenie Meyer ins Kino.
14.07.2010
Von Rainer Gansera

Wer ist liebestauglicher? Der Coole oder der Heiße? Der blasse, melancholische Vampir Edward (Robert Pattinson) oder der allzeit seinen prächtig durchtrainierten nackten Oberkörper präsentierende Werwolf Jacob (Taylor Lautner)? Nachdem die schöne, unschuldige Bella Swan (Kristen Stewart) in den beiden ersten "Twilight"-Episoden – "Twilight - Biss zur Mittagsstunde" – mit Edward sämtliche Beischlaf-Metaphern, insbesondere die des gemeinsamen Flugs durch die Lüfte, ausgiebig durchquert hat, will sie es nun definitiv wissen. Aber aufgepasst: es ist der ritterliche Edward, der darauf besteht, dass sie erst nach der Heirat miteinander ins Bett steigen! Da ist Jungfer Bella, die Edward freilich herzinnigst liebt, doch versucht, dem Werben des heißblütigen Werwolfs Jacob kurzzeitig nachzugeben und bei einem pathetischen Kuss im Abendlicht zu checken, was sich da in ihr regen könnte.

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Tiefenpsychologisch betrachtet bleibt es bei der Die-Schöne-und-das-Biest-Konstellation wie in den bisherigen Adaptionen von Stephenie Meyers "Twilight"-Bestsellern (aus den vier Büchern sollen insgesamt fünf Filme entstehen): Es geht um die Initiation eines jungen Mädchens, das sich von der Vater-Bindung befreien muss (in einer Szene gesteht Bella ihrem besorgten Vater, dem braven Polizisten, ausdrücklich, dass sie noch Jungfrau sei), um die erotisch-"tierhafte" Seite ihrer Person akzeptieren zu können. Diesmal also nimmt die gefährlich drohende männliche Sexualität die doppelte Biest-Gestalt von Vampir und Werwolf an, die Opposition von Coolness und Heißblütigkeit.

Gedichte im Sonnenschein

Gleich zu Beginn liegen Bella und Edward im Sonnenschein auf einer bunten Wiese. Vampirmythologisch müsste sich Edward eigentlich in der Sonne auflösen, aber er gehört einem Vampir-Clan an, der es sich verboten hat, Menschen blutsaugerisch an die Gurgel zu gehen. Also kann Edward ungefährdet seiner Bella lauschen, wie sie ihm einen Vers aus Robert Frosts Poem "Fire and Ice" rezitiert: "So mancher sagt, die Welt vergeht in Feuer, so mancher sagt, in Eis. Nach dem, was ich von Lust gekostet, halt ich's mit denen, die das Feuer vorziehn“!

Vielleicht kann nur eine Frau einen solchen Stoff hinreichend einfühlsam in Szene setzen. Bei der ersten Twilight-Episode jedenfalls hat Catherine Hardwicke das getan: mit sinnlich-eleganten Bildern und einem genauen Gespür für die Gefühlslage der Heldin. Da sprühten bei jeder Bella-Edward-Begegnung die Funken. Hier nun fehlt die große Eros-Spannung. Regisseur David Slade ("Hard Candy") arbeitet das Liebeswahl-Drama eher in langen, auf Moll gestimmten Gesprächspassagen ab. Und das an einem Punkt der Bella-Story, wo das erotische Verlangen der Heldin explizit werden soll!

Neugeborene Vampire

Für Action ist gesorgt, indem eine "Armee neugeborener Vampire" in und um Seattle ihr wahrhaft monstermäßig böses Unwesen treibt. Das Herzstück der Geschichte bleibt die Küsse-Bisse-Dialektik von Bellas Liebeserwachen. Und weil Kristen Stewart auch hier wieder die Bella-Figur mit der genau stimmigen Mischung aus Unschuld und Begehren konturiert, bietet diese Initiations-Geschichte im Vampir-Werwolf-Zwiespalt auch dem Zuschauer, der nicht dem Teeniegirl-Zielpublikum zugehört, genügend Spannung und Witz.

USA 2010. Regie: David Slade. Buch: Melissa Rosenberg (Romanvorlage von Stephenie Meyer). Mit Kristen Stewart, Robert Pattinson, Taylor Lautner, Ashley Greene, Dakota Fanning. 124 Min. FSK: 12, ff. (epd)