TV-Tipp: "Nachtschicht: Ich habe Angst"

TV-Tipp: "Nachtschicht: Ich habe Angst"
Die "Nachtschicht" aus Hamburg präsentiert sich ungastlich, ruppig - und Gewalt liegt in der Luft. Und der gesamte Fall, in dem es um häusliche Gewalt geht, trätz sich in einer Nacht zu.
12.07.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Nachtschicht: Ich habe Angst", Montag, 12. Juli, 20.15 Uhr im ZDF

Die Stadt Hamburg aus den „Nachtschicht“-Krimis ist traditionell eine ungastliche Metropole; und das nicht nur, weil die Filme zu großen Teilen in der Nacht spielen. Der Umgangston ist ruppig, Gewalt liegt eigentlich permanent in der Luft, und jeder Bürger ist ein potenzieller Krimineller; genau das richtige Revier für den Zyniker Erich Erichsen, der noch Dreck aus früheren Episoden am Stecken hat. So düster wie diesmal hat es Becker jedoch selten getrieben. Aber vielleicht liegt das auch daran, dass die Leidtragenden Kinder sind: Akribisch hat eine Lehrerin (Ulrike Krumbiegel) die Spuren von häuslicher Gewalt dokumentiert; sie will die Misshandlungen öffentlich anprangern. Die guten Absichten bringen sie allerdings selbst in Gefahr: Ein Vater (Matthias Brandt), den sie persönlich mit den Vorwürfen konfrontiert hat, engagiert einen Schläger, um ihr einen Denkzettel verpassen zu lassen. Doch die Lehrerin wehrt sich, und jetzt liegt ein Toter auf einem schäbigen Hinterhofparkplatz im Regen, ironischerweise mit jenem Messer erstochen, dass er früher am selben Tag einem Jungen verkauft hat; und dem hat die Lehrerin es später weggenommen. Dieser Schüler wiederum ist Sohn eines Mannes, der illegale Näherinnen in großem Stil illegale Kopien von teuren Markenhemden herstellen lässt; und das ist die zweite Ebene des Films. Beckers Inszenierung ist im Vergleich zu den früheren

Beckers Inszenierung ist im Vergleich zu den früheren „Nachtschicht“-Geschichten etwas zahmer, fast konventionell, so dass sie stilistisch überhaupt nicht mehr aus dem Montagsrahmen fällt. Dramaturgisch aber knüpft der Film nahtlos an die Reihe an. Zum Erzählprinzip gehört auch der enge zeitliche Rahmen: Sämtliche Ereignisse tragen sich im Verlauf einer einzigen Nacht zu, so dass die Ermittler (Armin Rohde, Barbara Auer, Ken Duken, Minh-Khai Phan-Thi) ihre Pappenheimer zum Teil gleich mehrfach aus dem Bett holen. Im Unterschied zu nahezu allen anderen Krimi-Institutionen verzichtet „Nachtschicht“ außerdem konsequent auf ein Privatleben der Polizisten, weshalb neben Erichsen allerdings auch keine der Figuren tiefere Konturen bekommt; außer dem alten Hasen, hinter dessen arrogantem Auftritt diesmal überraschend auch väterliche Rührung aufscheint, sind eigentlich alle austauschbar. Immerhin führt sich Phan-Thi diesmal nicht wie ein kleines Mädchen auf, das Räuber und Gendarm spielt; und Duken darf am Ende für viel Dramatik sorgen. Darstellerisch sehenswert aber ist allein Armin Rohde.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).