Der Kühlturm ragt noch unversehrt 160 Meter in die Höhe. Von außen ist kaum wahrnehmbar, wie stark der Rückbau des Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich am Rhein bei Koblenz betrieben wird. Innen schreitet die Dekontamination voran: Abgebaute Teile werden unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen abgespült, das Wasser gesammelt und verdampft. Zurück bleibt radioaktiver Abfall. Pumpen, Armaturen oder Rohre wandern nach Kontrollmessungen auf den Schrott. 250 Menschen sind derzeit am AKW im Einsatz.
Seit 2004 sind mehr als 30.000 Tonnen des Atommeilers abgebaut worden - nur 30 Tonnen davon waren radioaktiver Müll. "Da sind wir ein bisschen stolz darauf, da hätten wir mehr erwartet", sagt der Anlagenleiter Walter Hackel. Insgesamt rechnet der Eigentümer, der Energiekonzern RWE, aber mit bis zu 3000 Tonnen verstrahltem Müll. Solche Abfälle werden laut Hackel in mit Beton verfüllten Containern abtransportiert. Solange das bundeseigene Endlager Schacht Konrad in Niedersachsen nicht fertig ist, bleiben die Container in Gorleben, Hanau oder Ahaus.
Nicht-atomare Innereien nach Ägypten verkauft
[listbox:title=Mehr im Netz[Der Abbau eines AKW##Abgeschaltete Kraftwerke##Restlaufzeiten der AKW in Deutschland##Rheinland-Pfalz zum AKW Mülheim]]
Der Abriss des Kraftwerks mit 500.000 Tonnen an Metall und Beton hatte im Sommer 2004 begonnen. Der 1.300-Megawatt-Atommeiler war 1988 nach einer Gesamtbetriebszeit von nur 13 Monaten abgeschaltet worden, weil bei Planungen die Erdbeben- und Vulkanismusgefahr nicht ausreichend bedacht worden war. Der Großteil der Radioaktivität verschwand bereits 2002, als die letzten Brennelemente in die französische Wiederaufbereitungsanlage La Hague gebracht wurden.
Je mehr abgebaut wird, desto schwieriger wird die Arbeit im Inneren. Nun gehe es an das Inventar des Maschinenraums, erklärt Hackel. RWE hat diesen konventionellen Teil an einen ägyptischen Versorger verkauft. Es gehe etwa um Turbinenteile oder um einen Generator von einigen hundert Tonnen Gewicht - "der muss wohl über das Wasser abtransportiert werden". Die Anlage soll in einem neuen Kraftwerk eingesetzt werden, das vermutlich mit Gas angetrieben wird.
Die Menschen haben sich dran gewöhnt
In Mülheim-Kärlich war die Stilllegung des Kraftwerks nicht überall begrüßt worden. "Wir haben uns mit der Entscheidung abgefunden. Das war damals ein sehr hoher Verlust an Gewerbesteuern", sagt Mülheim-Kärlichs Bürgermeister Uli Klöckner (CDU). "Mich interessiert jetzt die Nachnutzung." Doch dafür hat RWE noch keine konkreten Pläne. "Wir arbeiten erstmal in Richtung grüne Wiese", sagt Hackel. Vieles sei denkbar, meint Klöckner, "das ist eine Industriefläche in hervorragender Lage". Das Gelände sei über Straßen, Schienen und die direkte Lage am Rhein gut angebunden.
Bei den Menschen in der Umgebung sei der Atommeiler heute kein Thema mehr, sagt Klöckner. Der weithin sichtbare Kühlturm gehöre nach rund 30 Jahren fast schon in das Bild der Region, die Menschen hätten sich daran gewöhnt. "Viele kennen das ja gar nicht anders."
Der Turm mit einem Durchmesser von 120 Metern am Boden wird 2011 oder auch erst 2012 in Angriff genommen, er habe nicht die "höchste Priorität", sagt Hackel. "Und wir werden nicht sprengen, es tut mir leid." Solche spektakulären Bilder werde es nicht geben. Eine Schneid- oder Brechtechnik sei günstiger und sicherer. Erst danach sollen der Druckbehälter und der Schild des Reaktors abgebaut werden. Wann die Arbeiten in Mülheim-Kärlich abgeschlossen werden, ist offen.