Der christliche Glaube habe "eine radikale Freiheit im Gepäck, sich einzumischen in die Welt", sagte Käßmann am Sonntag im Berliner Dom. Die ehemalige hannoversche Landesbischöfin predigte zum letzten Mal in Deutschland, bevor sie im August für vier Monate zu einem Studienaufenthalt in die USA geht.
Der Glaube an Jesus Christus, seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung vertröste nicht auf ein besseres Jenseits. Er ermutige vielmehr dazu, in dieser Welt für Gerechtigkeit zu streiten, sagte die Theologin. Alle Menschen und nicht nur eine Elite sollten "das Leben in Fülle haben".
Das Kreuz könne niemals ein Herrschaftssymbol sein, auch wenn es in der Kirchengeschichte entsetzliche Irrtümer gegeben habe, in denen ein solcher Zusammenhang hergestellt worden sei. "Kreuz und Macht - das passt nicht zusammen", sagte Käßmann. Das Kreuz sei vielmehr ein Zeichen des Respektes vor der Würde jedes Menschen. Erfolg und Leistungsfähigkeit dürften dabei nicht zum Maßstab gemacht werden.
Ein Beispiel dafür, wie Schwäche zur Stärke werden könne, sei die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, erläuterte die Theologin. Sie sei seit mehr als 20 Jahren offenbar eine derartige Bedrohung für die Militärdiktatur in Birma (Myanmar), dass sie ständig unter Hausarrest stehe. Suu Kyi verdiene einen Platz in den Herzen der Menschen, "weil ihre innere Kraft stärker ist als ein bis auf die Zähne bewaffnetes korruptes Regime".