"Afrika bricht das Herz": Ghana scheitert im Viertelfinale

"Afrika bricht das Herz": Ghana scheitert im Viertelfinale
"Afrika bricht das Herz": Knapper und dramatischer als Ghana kann ein Land bei einer Fußball-WM eigentlich gar nicht scheitern. Während ein ganzer Kontinent trauert, kann Uruguay seine Freude über den Einzug in das Halbfinale der WM kaum fassen.
03.07.2010
Von Christian Kunz und Wolfgang Müller

Die «Himmelblauen» tanzten ausgelassen auf dem Rasen und feierten den Halbfinal-Einzug wie den WM-Titel, Ghanas «Black Stars» vergossen nach der bittersten Nacht ihrer Fußball-Geschichte tausend Tränen. Asamoah Gyan wurde von Heulkrämpfen geschüttelt und konnte auch von seinen Mitspielern und Betreuern nur schwerlich getröstet werden. Mit dem 4:2-Sieg im Elfmeterschießen besiegelte Uruguay nicht nur das Aus der letzten afrikanischen Mannschaft bei der WM in Südafrika. Die Hoffnung eines ganzen Kontinents ging an diesem denkwürdigen Abend zugrunde.

In dem 3,5 Millionen-Staat in Südamerika dagegen strömten die Menschen aus ihren Häusern und zogen singend und tanzend mit hellblau-weißen Fahnen durch die Straßen. Nicht nur in der Hauptstadt Montevideo, auch in kleineren Städten und Dörfern im Land stiegen am Freitag Silvesterraketen in den Himmel, Vuvuzuelas tröteten durch die Winternacht, Autos kurvten hupend durch die Gegend.

Brasiliens Scheitern - Uruguays Erfolg

Ausgerechnet an dem Tag, als Rekordweltmeister Brasilien scheiterte, erreichte die einstige Fußballgröße Uruguay erstmals seit 40 Jahren wieder das Halbfinale einer Weltmeisterschaft. «Hellblaues Wunder. Uruguay unter den besten vier der Welt!», schrieb «El Pais». Am Dienstag in Kapstadt darf sich der zweimalige Weltmeister mit Brasilien-Bezwinger Niederlande messen. Doch schon jetzt hat die Elf mit Führungsfigur Diego Forlan, Elfmeter-Schlitzohr Sebastian Abreu und Handspiel-Schurkenheld Luis Suarez mehr erreicht als erwartet.

«Ihr Hellblauen, kommt nach Hause, wann Ihr wollt. Ihr habt es schon geschafft, alles Weitere sind Zugaben. Aber wie herrlich wäre es, wenn Uruguay weiterhin siegen würde. Illusionen ohne Pflichten: die Welt respektiert uns wieder», schrieb die Zeitung «La República».

«Fußball ist essenziell in meinem Land. Viele feiern auf der Straße, die nie einen Moment wie diesen erlebt haben», sagte Erfolgs-Trainer Oscar Tabarez. Dass Uruguay 1930 und 1950 Weltmeister war, kennen viele Fans nur aus den Fußball-Geschichtsbüchern.

Vom Unglücksvogel zum Held der Nation

Beflügelt durch die Unterstützung in der Heimat will die «Celeste» nun auch vor «Oranje» nicht in Ehrfurcht erstarren. «Ich weiß nicht, wie weit wir kommen können. Aber ich habe ein großartiges Team und brillante Spieler. Wenn ein Funken Hoffnung da ist, müssen wir bis zum Ende daran glauben», sagte Tabarez. Die Diskussion um Retter Suarez versuchte er zu versachlichen. «Ich glaube, es war ein instinktives Verhalten. Als er das Handspiel gemacht hat, wusste er nicht, was danach beim Elfmeter passiert.»

Es war die erste Minute der Nachspielzeit der Verlängerung, als Suarez einen Ball von Dominic Adiyiah in Torwart-Manier auf der Linie abwehrte. Rote Karte, Elfmeter für Ghana - in diesem Moment hielten die Menschen auf dem ganzen Kontinent den Atem an. Doch Gyan knallte den Ball an die Latte. «Es wäre ein Märchen gewesen, wenn es geklappt hätte. Aber alles, was ich jetzt sagen kann, ist: Das ist Fußball», sagte Ghanas Coach Milovan Rajevac.

Ajax-Stürmer Suarez konnte sich nach dem Happy End eine Anspielung auf das Handtor von Diego Maradona 1986 bei der WM in Mexiko nicht verkneifen. «Am Ende ist die Hand Gottes jetzt meine.» Dagegen herrschte auf dem Gastgeber-Kontinent tiefe Trauer. «Afrika bricht das Herz», schrieb am Samstag «New Times» aus Ruanda. Worte waren schwer zu finden für das, was an diesem Abend in Johannesburg geschah. «Es sieht aus, als ob das von irgendjemandem gesteuert worden wäre», sagte Rajevac. «Ich habe keine Erklärung für das, was heute passiert ist», sagte Uruguays Nationaltrainer Tabarez.

dpa