Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Gauck und Wulff

Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Gauck und Wulff
Debakel für Schwarz-Gelb bei der Wahl des neuen Bundespräsidenten: Ihr Kandidat Christian Wulff konnte in zwei Wahlgängen nicht die absolute Mehrheit erreichen, obwohl Schwarz-Gelb in der Bundesversammlung darüber verfügt. Im dritten Wahlgang reicht die einfache Mehrheit.

Spannung in der Bundesversammlung: Bei der Wahl des Bundespräsidenten hat der favorisierte Christian Wulff auch im zweiten Wahlgang keine ausreichende Mehrheit erhalten. 615 Delegierte stimmten am Mittwoch in Berlin für den Kandidaten von Union und FDP. Damit verfehlte der CDU-Politiker die erforderliche absolute Mehrheit um acht Stimmen. Es wurde ein dritter Wahlgang notwendig, bei dem die einfache Mehrheit genügt.

Für die Partei Die Linke zog deren Kandidatin Luc Jochimsen ihre Kandidatur zurück. Damit sei das Abstimmungsverhalten der Wahlleute freigegeben worden, erklärte Fraktionschef Gregor Gysi. Damit kommt es im dritten Wahlgang zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Joachim Gauck und Christian Wulff. In diesem Wahlgang reicht die einfache Mehrheit.

Der Kandidat von SPD und Grünen, Joachim Gauck, erhielt im zweiten Wahlgang 490 der 1.238 gültigen Stimmen. Für die Kandidatin der Linken, Luc Jochimsen, stimmten 123 Delegierte. Sieben Delegierte enthielten sich. Der Kandidat der rechtsextremen NPD, Frank Rennicke, bekam drei Stimmen. Eine Stimme war ungültig.

Schlappe auch für Merkel

Wulff war bereits im ersten Wahlgang durchgefallen, als er lediglich 600 Stimmen bekam. Union und FDP kommen zusammen auf 644 Delegierte in der Bundesversammlung. Für Gauck stimmten im ersten Wahlgang 499 Mitglieder der Bundesversammlung. SPD und Grüne haben zusammen 462 Wahlmänner und Wahlfrauen. Wulffs Scheitern in den ersten beiden Wahlgängen bedeutet einen weiteren schweren Schlag für Kanzlerin Merkel. In der Koalition war bereits im Vorfeld befürchtet worden, dass Merkel und ihr Kandidat Wulff wegen des schlechten Erscheinungsbildes der Bundesregierung einen Denkzettel bekommen. Am Dienstag war in der Regierung jedoch ausgeschlossen worden, dass die Koalition platzen könnte, falls Gauck Bundespräsident wird.

Dass der deutliche Vorsprung von Wulff zu Gauck im dritten Wahlgang kippt, galt am späten Nachmittag als unwahrscheinlich. Bemühungen von SPD und Grünen, die 124 Delegierten der Linken für Gauck zu gewinnen, waren erfolglos geblieben. Die Parteichefin der Linken, Gesine Lötzsch, hatte vielmehr die Möglichkeit ins Gespräch gebracht, einen neuen gemeinsamen Kandidaten aufzustellen.

Die Wahl war wegen des überraschenden Rücktritts des damaligen Amtsinhabers Horst Köhler Ende Mai notwendig geworden. Der niedersächsische Ministerpräsident Wulff gehörte ebenfalls zu den Wahlleuten der Union. Seine Frau Bettina verfolgte ebenso wie Gauck und dessen Lebensgefährtin Daniela Schadt die Bundesversammlung von der Tribüne aus. Köhler war nicht anwesend.

Köhler tratt nach Kritik zurück

Bundestagspräsident Lammert ging in seiner Eröffnungsrede im Reichstagsgebäude noch einmal auf den Rücktritt Köhlers ein. Dieses in der deutschen Demokratiegeschichte einmalige Ereignis "war alles andere als ein normaler Vorgang, hat aber keine Staatskrise ausgelöst". Das parlamentarische System habe sich bewährt. Lammert betonte, dass "niemand von uns unter Denkmalschutz steht", weder die Parlamente noch die Regierung, nicht einmal das Staatsoberhaupt. Aber den Anspruch auf Wahrhaftigkeit und Respekt habe Bundespräsident Köhler mit vollem Recht nicht nur für sich, sondern für die politische Kultur des Landes im Ganzen reklamiert.

Köhler war am 31. Mai nach heftiger Kritik wegen Äußerungen über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr zurückgetreten. In seiner kurzen Erklärung sagte Köhler, dass er den notwendigen Respekt vor dem Amt vermisse.

Am Morgen hatten die beiden großen Kirchen mit einem festlichen ökumenischen Gottesdienst in der Berliner St. Hedwig-Kathedrale auf die Bundesversammlung eingestimmt. In seiner Predigt machte der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland bei der Bundesregierung, Prälat Bernhard Felmberg, den Kandidaten Mut. Gott habe nicht den Geist der Furcht, sondern der Liebe und Besonnenheit gegeben. Die Kandidaten bräuchten ebenso Zuspruch, wie die Gesellschaft "Ermutiger und Hoffnungsspender" benötige.

epd/dpa