Auf der Straße vor Bergmanns Haus warteten zeitweise mehrere Dutzend Vogelinteressierte gleichzeitig mit Fernglas und Teleobjektiven. Alle wollen sie Einblicke in das Familienleben der seltenen Greifvögel bekommen. Gewöhnlich brütet der größte Eulenvogel der Welt in unzugänglichen Felswänden oder in alten Steinbrüchen. "Aber der Steinbruch war schon durch ein anderes Paar besetzt", weiß Bergmann zu berichten.
Tatsächlich sind alte Kirchengebäude ideale Lebensräume für viele Tierarten: Schleiereulen und Turmfalken nisten auf den Kirchtürmen. Unter so manchen Kirchdächern und in historischen Klöstern haben sich Fledermauskolonien oder Siebenschläfer angesiedelt. Und mancherorts gibt es sogar Storchennester. Der NABU und die beiden großen Kirchen starteten bereits 2007 die gemeinsame Kampagne "Lebensraum Kirchturm".
Artenvielfalt erhalten heißt Schöpfung erhalten
"Die Christen in Europa können ihren Teil dazu beitragen, die Artenvielfalt zu erhalten, indem sie in ihren Kirchen und auf ihren Grundstücken Lebensraum für Tiere und Pflanzen schaffen", heißt es auch im Vorwort einer Artenschutzbroschüre der württembergischen Landeskirche. Doch die Umsetzung dieser Idee sei nicht immer so einfach, meint Co-Autor Hans-Hermann Böhm, der Umweltbeauftragte der Landeskirche.
"Wenn Sie einen Marder im Dachgeschoss haben, vertreibt der alle Fledermäuse", berichtet Böhm. Und spätestens beim Thema Tauben stößt die Tierliebe der Kirche gewöhnlich an ihre Grenzen: Taubenkot verstopft die Dachrinnen und schädigt historische Gemäuer. Die Gemeinden setzten sich leidlich zur Wehr, etwa mit Taubenabwehrspikes auf den Mauervorsprüngen. "Viele kirchliche Gebäude sind wegen der Tauben hermetisch abgeschlossen", weiß Böhm.
Auch Dohlen haben bei den Kirchen meist keinen guten Stand, bedauert Sylvia Weber vom Landesbund für Vogelschutz aus München. "Die machen die Kirche nicht kaputt", appelliert sie an betroffene Gemeinden. Vielerorts würden die kleinen Krähenvögel dennoch vertrieben. Es gebe jedoch manche positive Beispiele wie etwa die Benediktinerabtei Schäftlarn in Oberbayern. Sie habe sich hervorragend mit ihrer Dohlenkolonie arrangiert.
Vor einer Sanierung genau gucken, wer da wohnt
Oft werden tierische Untermieter erst entdeckt, wenn größere Sanierungsarbeiten an einer Kirche beginnen. Dann entstehen den Gemeinden zusätzliche Kosten, wenn die Tiere nicht vertrieben werden sollen. "Bei einer anstehenden Sanierung sollte die Kirche unbedingt vorab untersucht werden", rät Weber.
Der Oppenheimer Küster Richard Betcher hat seine Uhus inzwischen ins Herz geschlossen. "Die sind sehr robust und gehen gut mir ihrer Berühmtheit um", sagt er. Insgesamt fünf Mal trug er während der vergangenen Wochen vom Dach gefallene Jung-Uhus wieder auf den Kirchturm hinauf.
Als die Vögel mit ihren Flugübungen begannen, landete ein Uhu einmal in einem alten Kellergewölbe, aus dem er nicht mehr herauskam. Betcher musste ein Gitter zersägen, um das Tier zu bergen. Lange hatte sich die Gemeinde bemüht, die kleine zoologische Sensation auf ihrem Dach geheim zu halten. Dennoch sprach sich das Gerücht in der Kleinstadt schnell wie ein Lauffeuer herum.
Ganz nebenbei wurde im rheinhessischen Oppenheim auch das Tauben-Problem gelöst. Früher umflogen ganze Schwärme die Katharinenkirche, mittlerweile machen die - den Uhus sei Dank - stark dezimierten Tauben meist einen weiten Bogen um das Stadtzentrum.