Christian Wulff ist neuer Bundespräsident

Christian Wulff ist neuer Bundespräsident
Christian Wulff wird nach einem nervenzehrenden Abstimmungsdrama neuer Bundespräsident. Für die schwarz-gelbe Koalition von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist es ein weiterer Rückschlag, dass der CDU-Politiker erst im dritten Durchgang gewählt wurde. Union und FDP schafften trotz deutlicher rechnerischer Mehrheit nicht die erhoffte Demonstration der Einigkeit.

Der bisherige niedersächsische Ministerpräsident setzte sich am Mittwochabend nach stundenlanger Zitterpartie mit 625 Stimmen gegen den von SPD und Grünen nominierten früheren DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck durch. Er bekam 494 Stimmen. In den ersten beiden Wahlgängen hatten Abweichler im schwarz-gelben Lager noch einen Sieg Wulffs verhindert. Im dritten Wahlgang reichte die einfache Mehrheit.

Wulff nahm nach langem Beifall die Wahl an. Er ist mit 51 Jahren der bislang jüngste Bundespräsident. «Ich nehme die Wahl außerordentlich gerne und aus Überzeugung an und freue mich auf die verantwortungsvolle Aufgabe», sagte Wulff. Seine 36 Jahre alte Ehefrau Bettina Wulff verfolgte die Wahl von der Tribüne im Reichstag. Mit Blick auf den Verlauf der Wahl und seinen Gegenkandidaten Gauck bedankte sich Wulff für einen «sehr fairen Wettbewerb». Auch Gauck erhielt anhaltenden Beifall und zeigte sich bewegt. Zuvor hatte Wulff sein Amt als Ministerpräsident von Niedersachsen niedergelegt. In Hannover soll am Donnerstag der 39-jährige CDU- Fraktionschef David McAllister im Landtag als Nachfolger gewählt werden.

In der Koalition war vor der Bundespräsidentenwahl befürchtet worden, dass Merkel und ihr Kandidat Wulff wegen des schlechten Erscheinungsbildes der Bundesregierung aus den eigenen Reihen einen Denkzettel bekommen. In den ersten beiden Wahlgängen verfehlte Wulff die absolute Mehrheit von 623 Stimmen, obwohl Union und FDP zusammen über 644 Stimmen verfügten. Im dritten Wahlgang holte Wulff zwar die absolute Mehrheit, allerdings fehlten ihm erneut mindestens 19 Stimmen aus dem eigenen Lager.

Linke gab Abstimmungsverhalten frei

Die Entscheidung zugunsten Wulffs brachte auch die Linkspartei, die vor dem dritten Wahlgang ihre Kandidatin Luc Jochimsen zurückzog. Die Parteispitze gab zwar die Abstimmung frei, kündigte aber zugleich an, dass sich die Mehrheit ihrer Wahlleute enthalten werde. Damit war ein Erfolg Gaucks so gut wie ausgeschlossen. Gauck war früher Chef der Stasiunterlagen-Behörde - auch deswegen gab es bei der Linken Vorbehalte.

Merkel hatte vor dem dritten Wahlgang eindringlich für den Kandidaten der Koalition geworben. «Lassen Sie uns im dritten Wahlgang ein kraftvolles Symbol abgeben», sagte die CDU-Chefin nach Angaben von Teilnehmern in der Unionsfraktion. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer sprach von einer historischen Verantwortung der Unions-Wahlleute. «Es geht jetzt um mehr als um den dritten Wahlgang», wurde er aus Koalitionskreisen zitiert.

FDP-Chef Guido Westerwelle machte die Union für das schlechte Abschneiden Wulffs im ersten Wahlgang verantwortlich. «Die Freien Demokraten jedenfalls werden Christian Wulff im zweiten Wahlgang erneut unterstützen - geschlossen, so wie wir es auch im ersten Wahlgang getan haben.»

Denkzettel von Abweichlern

Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier (CDU) sprach von Denkzetteln der Abweichler. «Das waren welche, die uns sagen wollten: Ihr müsst besser werden. Ihr müsst Euren öffentlichen Streit beenden», sagte er im Sender Phoenix. «Diese Botschaft haben wir natürlich auch verstanden. Das wird in den nächsten Wochen analysiert und diskutiert.»

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) gratulierte Wulff zu dessen Wahlsieg. Wulff übernehme sein neues Amt in einer "unruhigen Zeit", schrieb der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider, in seinem Glückwunsch. Mit politischer Erfahrung und diplomatischem Gespür habe der Politiker die Menschen überzeugt, auf die großen Erwartungen hinsichtlich Kontinuität, Orientierung und Gerechtigkeit in geeigneter Weise eingehen zu können.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch verwies in seinem Glückwunschschreiben auf Wulffs politische Erfahrung. Somit sei er geübt, große Herausforderungen zu bewältigen. "Ihr politisches Gespür und die besondere Fähigkeit, zuletzt als Ministerpräsident von Niedersachsen, den Menschen nahe zu sein, werden sicherlich mitbestimmen, wie Sie Ihren Aufgaben nachkommen", heißt es in der Gratulation der Bischofskonferenz

Auch der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, gratulierte. Er schrieb, er sei sich sicher, "dass Sie in Anbetracht der enormen gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen mit großem Verantwortungsbewusstsein die richtigen Impulse für eine friedvolle Zukunft und ein solidarisches Miteinander in unserer Gesellschaft geben werden". Als Repräsentant des organisierten deutschen Laienkatholizismus freue er sich, dass der neue Bundespräsident Mitglied der katholischen Kirche ist.

Lammert über Köhlers Rücktritt enttäuscht

Der bisherige Amtsinhaber Horst Köhler hatte am 31. Mai in einem historisch einmaligen Vorgang seinen sofortigen Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten erklärt. Zuvor war ein Interview des 67-Jährigen, in dem er Auslandseinsätze der Bundeswehr auch mit Wirtschaftsinteressen begründete, auf heftige Kritik gestoßen.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) nahm in seiner Rede vor der Wahl indirekt Bezug auf Köhlers Rücktritt. «Niemand von uns steht unter Denkmalschutz (...), nicht einmal das Staatsoberhaupt. Kritik muss sein», sagte er unter dem Applaus der Opposition. Lammert sprach von Enttäuschung und Unverständnis über Köhlers Schritt.

Über Köhlers Nachfolger entschieden 1244 Wahlmänner und Wahlfrauen. Die absolute Mehrheit in den ersten beiden Wahlgängen lag bei 623 Stimmen. Die Bundesversammlung setzte sich zusammen aus den 622 Abgeordneten des Bundestags sowie ebenso vielen Mitgliedern, die von den Landesparlamenten entsandt wurden. Zumeist waren es Landtagsabgeordnete. Schwarz-Gelb hatte 21 Stimmen mehr als die absolute Mehrheit von 623 Stimmen. Gewählt wurde geheim mit verdeckten Stimmzetteln.

dpa/epd