Gericht wertet Dumpinglöhne erstmals als Straftat

Gericht wertet Dumpinglöhne erstmals als Straftat
Sollten Arbeitgeber Dumpinglöhne zahlen, gehen sie künftig ein höheres Risiko ein: Erstmals hat ein Gericht einen solchen Fall als Straftat und nicht als Ordnungswirdrigkeit gewertet. Der angeklagte Unternehmen erhielt zwar nur eine Geldstrafe, muss aberdie Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen.

Weil er Putzfrauen mit Stundenlöhnen unter einem Euro abgespeist hat, muss ein Reinigungsunternehmer 1.000 Euro Geldstrafe zahlen. Die Summe ist wenig spektakulär, wohl aber das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom Dienstag: Es bewertete das Unterschreiten eines allgemeinverbindlichen Mindestlohns als Straftat und nicht wie bisher üblich als Ordnungswidrigkeit. Gericht, Staatsanwaltschaft und Gewerkschaften maßen dem Richterspruch daher bundesweite Bedeutung zu - nach allem was man wisse, habe noch nie ein deutsches Gericht so geurteilt. "Wenn Unternehmen Dumpinglöhne zahlen, müssen sie künftig mit härteren Strafen rechnen", sagte Staatsanwalt Andreas Strauß.

Sittenwidrige Stundenlöhne

Der Mindestlohn für Gebäudereiniger lag zum Zeitpunkt der 18 angeklagten Taten zwischen 2004 und 2006 bei 7,68 Euro. Die Staatsanwaltschaft rechnete vor, dass die Putzfrauen im besten Fall aber nur auf maximal 1,79 Euro die Stunde kamen. Richterin Claudia Methling sagte in ihrer Urteilsbegründung, der 57-jährige Unternehmer habe zur eigenen Gewinnmaximierung teils "nicht mal einen Euro" gezahlt. "Egal wie man es betrachtet: Ein Stundenlohn von einem Euro ist als sittenwidrig anzusehen."

Seit 2001 setzte der Mann Arbeitnehmer aus Nachfolgestaaten der Sowjetunion an Rasthöfen in mehreren Bundesländern ein. Dort mussten sie in Zwölf-Stunden-Schichten Toiletten und Duschen sauber halten oder Geld für die Benutzung einsammeln. Sie arbeiteten bis zu 14 Tage am Stück und erhielten dafür nach den Feststellungen des Gerichts 60 bis 300 Euro - bei freier Kost und Logis. Der Anwalt des Angeklagten plädierte auf Freispruch. Tatsächlich hätten die Beschäftigten lediglich zwei bis drei Stunden täglich geputzt, den Rest als eine Art Bereitschaftszeit verbracht, argumentierte er.

Urteil noch nicht rechtskräftig

Das Gericht sprach den 57-Jährigen des Vorenthaltens und der Veruntreuung von Arbeitsentgelt für schuldig. Der Sozialversicherung sei durch nicht gezahlte Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge 69.000 Euro Schaden entstanden - deren Höhe bemesse sich am Lohnanspruch und nicht an der Höhe des tatsächlich ausbezahlten Lohnes. Der Mann muss 100 Tagessätze à 10 Euro zahlen und gilt, sollte das Urteil rechtskräftig werden, als vorbestraft. Die vergleichsweise milde Strafe sei der langen Verfahrensdauer und der Tatsache geschuldet, dass der Angeklagte nicht vorbestraft sei und derzeit selbst nur einen 400-Euro-Job habe, sagte Methling. Seine Firma ist pleite.

Zwei Vorinstanzen hatten den Reinigungsunternehmer im Oktober 2008 und März 2009 freigesprochen. Das Oberlandesgericht Naumburg hob das letzte Urteil jedoch auf und verwies den Fall erneut an das Landgericht Magdeburg.

dpa