NRW: SPD will jetzt doch Minderheitsregierung bilden

NRW: SPD will jetzt doch Minderheitsregierung bilden
Wende in Nordrhein-Westfalen: Dort wollen SPD und Grüne jetzt doch das Wagnis einer Minderheitsregierung eingehen. Damit könnten sie zwar Noch-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers von der CDU ablösen, müssen sich aber wechselnde Mehrheiten suchen, um ihre Projekte durchzubringen.

SPD und Grüne wollen in Nordrhein-Westfalen Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) mit einer Minderheitsregierung ablösen. Das teilten die SPD-Landesvorsitzende Hannelore Kraft und Grünen-Landtagsfraktionschefin Sylvia Löhrmann am Donnerstag in Düsseldorf mit.

Kraft begründete Entscheidung mit Interviewäußerungen von FDP-Landeschef Andreas Pinkwart. Dieser habe darin die schwarz-gelbe Koalition aufgekündigt. Damit sei Rüttgers ein Regierungschef auf Abruf. SPD und Grüne würden nun Verhandlungen über eine Minderheitsregierung aufnehmen.

Pinkwart hatte der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" gesagt, CDU und FDP hätten den Koalitionsvertrag der letzten Legislaturperiode "abgearbeitet". Die FDP wolle nun im Landtag auf eigene Rechnung für "Mehrheitsentscheidungen im Interesse des Landes" werben.

Kraft: "Schnelles, konsequentes Handeln"

"Damit ist eine handlungsfähige Regierung hier in Düsseldorf nicht mehr gegeben", sagte Kraft in einer eilig anberaumten Pressekonferenz vor dem Plenarsaal. Im Zweifelsfall könnte sich der geschäftsführende Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) nur noch auf die Stimmen der 67 CDU-Abgeordneten im 181 Mitglieder starken Fünf-Parteien-Parlament verlassen. "Diese instabilen Verhältnisse verlangen jetzt ein schnelles, konsequentes Handeln", sagte Kraft.

"Völlig absurd" sei diese Begründung, antwortete Pinkwart kurz darauf: "Ein Akt der Verzweiflung." Kraft lasse sich von SPD-Chef Sigmar Gabriel und den Grünen "in die Ypsilanti-Falle treiben". Sie müsse sich jetzt auf höheres Geheiß von der Linkspartei tolerieren lassen. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) warf Kraft vor, sie begehe "die schlimmste Wählertäuschung, die es je in Nordrhein-Westfalen gegeben hat".

Die Sozialdemokratin will sich schon in der nächsten Plenarsitzung am 13. oder 14. Juli zur Ministerpräsidentin wählen lassen. Im vierten Wahlgang wäre dies mit einfacher Mehrheit möglich - auch ohne die Stimmen der Linkspartei.

Bisher hatte Kraft stets betont, eine Minderheitsregierung erst anzustreben, wenn Abstimmungen im Bundesrat dies nötig machen. Damit will Rot-Grün schwarz-gelbe Regierungsprojekte wie das Sparpaket oder eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken blockieren.

Kraft wollte zunächst einen Politikwechsel in Nordrhein-Westfalen aus dem Landtag heraus herbeiführen - damit wäre Ministerpräsident Rüttgers bis auf weiteres geschäftsführend im Amt geblieben. Dagegen hatten die Grünen in Land und Bund den Druck auf die SPD verstärkt und die schnelle Bildung einer Minderheitsregierung gefordert. Kraft müsse sich noch vor der Sommerpause zur Ministerpräsidentin wählen lassen, hatten sie gefordert.

Rot-Grün muss sich Mehrheiten suchen

Kraft hatte in den vergangenen Wochen Sondierungsgespräche mit allen im Landtag vertretenen Parteien geführt. Eine große Koalition mit der CDU lehnte die SPD danach ab. Zuvor hatten die Sozialdemokraten auch ein rot-rot-grünes Bündnis ausgeschlossen. Eine Ampel-Koalition scheiterte an den Differenzen zwischen Grünen und FDP.

Nach der Wahl am 9. Mai hatten weder Schwarz-Gelb noch Rot-Grün eine Regierungsmehrheit erringen können. Rot-Grün fehlt eine Stimme zur absoluten Mehrheit, bei einer Minderheitsregierung müssten sich SPD und Grüne im Parlament wechselnde Mehrheiten suchen. Auch die Linkspartei war als Fraktion in den Landtag eingezogen.

Der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir begrüßt die geplante rot-grüne Minderheitsregierung in NRW. Özdemir sagte "Spiegel online": "Es ist gut, dass die SPD in NRW sich jetzt bewegt und Verantwortung übernimmt." Eine rot-grüne Koalition sei auch aus inhaltlichen Gründen zwingend. "Eine rot-grüne Minderheitsregierung bietet die Chance für eine bessere Bildungspolitik und für andere Mehrheiten im Bundesrat, gegen Laufzeitverlängerung und Kopfpauschale", sagte er.

dpa