TV-Tipp des Tages: "Silberhochzeit" (Arte)

TV-Tipp des Tages: "Silberhochzeit" (Arte)
Alma kann Rosen nicht ausstehen; und ihren Gatten Ben auch nicht. Es dauert, bis sie das so deutlich ausspricht. Bis dahin wird sie noch weitere Verletzungen und Demütigungen erdulden.
15.06.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Silberhochzeit", 18. Juni, 20.15 Uhr auf Arte

Ein schlichter Titel. Und eine schlichte Geschichte. Ein Paar, eine Handvoll Gäste, ein Abend, ein Schauplatz. Und doch ein Film, der einen sofort packt und neunzig Minuten lang nicht mehr los lässt; selbst wenn man die silberne Hochzeit noch vor sich hat. Geschickt versammelt Autor Daniel Nocke, Grimme-preisgekrönt für seine Drehbücher zu den Stefan-Krohmer-Filmen "Ende der Saison" und "Familienkreise", ein Ensemble, das eine Menge Identifizierungspotenzial bietet: die beiden Jubilare (Iris Berben, Matthias Habich), zwei angejahrte Einzelgänger (Gisela Schneeberger, Oliver Nägele), das frisch verliebte Turtelpärchen (Silke Bodenbender, Ulrich Noethen) sowie ein Paar (Corinna Harfouch, Axel Milberg), das sich gleichfalls erst kürzlich gefunden hat, aber dem Alter von romantischen Illusionen längst entwachsen ist.

Gute Miene zu zwei Rosensträußen

Sie alle finden sich zusammen, um Alma und Ben zu feiern. Dass zumindest Alma nur bedingt nach einer Feier zu Mute ist, macht sie schon vorher deutlich: Sie führt als Erzählerin durch den Film, obwohl das eigentlich gar nicht nötig wäre; man versteht auch so. Spätestens in dem Moment, als sie gute Miene zu Bens beiden fetten Rosensträußen macht, ist klar, wie die Dinge liegen: Alma kann Rosen nicht ausstehen; und ihren Gatten Ben auch nicht. Doch es wird noch eine Weile dauern, bis sie das so deutlich ausspricht. Bis dahin wird sie noch weitere Verletzungen und Demütigungen erdulden. Und doch ist sie es, die Ben am Ende Verlogenheit vorwirft.

Jeder bekommt seinen großen Auftritt

Da sämtliche Beteiligten von einem hochkarätigen Ensemble verkörpert werden, bekommt jeder seinen großen Auftritt. Die unangenehmste Rolle hat dabei Nägele, spielt er doch einen versoffenen, überschätzten Schriftsteller, der alles und jeden zu sich in den Dreck zu ziehen versucht. Sein Konterpart ist Anita (Schneeberger), die den ganzen Abend lang fröhlich Gift verspritzt. Noethen mimt das gute Gewissen Heinz, Milberg den Besserwisser Leo. Die interessanteste Rolle spielt Corinna Harfouch: Alexandra und Ben haben vor dreißig Jahren eine vertraute australische Nacht miteinander verbracht. Es war Liebe auf den ersten Blick; der Moment war so kostbar, dass Ben ihn nicht durch Sex entwürdigen wollte. Nun treffen sie sich wieder. Doch näher kommen sich nach Almas Ausbruch nicht etwa Ben und Alexandra. Die Ehe bricht er vielmehr noch am selben Abend mit Vivien, Heinz’ junger Freundin, die im Kreis der älteren bloß das naive Blondchen war, aus gegebenem Anlass aber womöglich nachdenklicher ist als sie alle zusammen.

Matti Geschonneck, ein Regisseur, der sonst doch gern zu düster umgesetzter Tristesse neigt, erweist sich des Ensembles als würdig: Er inszeniert den Film angemessen melodramatisch, aber immer auch humorvoll; selbst wenn es sich mitunter um Galgenhumor handelt. Kein Wunder: Der Stoff basiert auf einer Vorlage von Elke Heidenreich.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).