Der Kampf gegen die Ölpest wird zum "Krieg"

Der Kampf gegen die Ölpest wird zum "Krieg"
Das Meer um die Ferieninsel Dauphin Island ist grau und ruhig an diesem Tag, sogar Delfine zeigen sich. Würden hier, vor der Küste Ost-Alabamas, nicht Dutzende Helfer immer mehr und immer größere Ölklumpen auflesen - es wäre ein Idyll. Wer aber Pete Capelotti zuhört, wie er an Bord eines Bootes den Kampf gegen die Ölpest beschreibt, wähnt sich im Krieg.
04.06.2010
Von Frank Brandmaier

"Dies ist die zweite Schlacht um die Bucht von Mobile", sagt der Sprecher der Küstenwacht bitterernst. Die erste Schlacht um den strategisch wichtigen Seezugang von Alabamas Hafenstadt trug sich während des amerikanischen Bürgerkriegs im Jahr 1864 zu.

Starke Worte und historische Vergleiche wirken angebracht, angesichts der immer dramatischeren, schlimmsten Ölpest der US- Geschichte. Am Vortag haben Dutzende Schiffe knapp 40 Kilometer vor Dauphin Island etwa 3.000 Tonnen Öl aus dem Wasser geschöpft.

"Das ist ein großer Einsatz", sagt Capelotti. "Das Öl bewegt sich im Uhrzeigersinn" - und damit auch auf Floridas Ferienzentren zu. Der Tourismus ist eine Milliarden-Industrie, die allein im "Sonnenschein- Staat" Florida eine Million Menschen beschäftigt. Teerklumpen soll es inzwischen sogar auf der weit entfernten Inselkette Florida Keys geben, die ein großer Urlaubermagnet ist.

Touristen-Dollars

Und auch die Ostküste Alabamas ist auf Touristen-Dollars angewiesen. Dort wachsen Wut und Frust - nicht nur auf BP, auch auf Washington. Mancher geht sogar in die Luft: "Obama - hör auf zu reden. Wir wollen, dass jetzt gehandelt wird!", steht auf einem Transparent, das dieser Tage ein Flugzeug über den Himmel zieht, zum Beispiel an Alabamas Badeort Gulf Shores.

Capelotti spricht von "Verteidigungslinien" im Kampf gegen die Giftsuppe im Meer und meint die Kähne, die vor Dauphin Island schwimmen, beladen mit flinken Motorbooten, Kränen und Ölbarrieren, die den rotbraunen Schlick auffangen sollen.

"Wir versuchen, dort draußen bereits so viel wie möglich zu killen", sagt er im Kriegs-Jargon. Dort, "wo zurzeit die Schlacht tobt". Eines scheint klar: Hat das Öl einmal Kurs auf die Traumstrände genommen, wird es kaum möglich sein, es vollkommen von ihnen fernzuhalten.

Barrieren schnell wirkungslos

Für "verrückt" hält er den Gedanken, die gesamte etwa 1500 Kilometer lange Golf-Küste zwischen New Orleans und dem Südzipfel Floridas mit Barrieren zu schützen. Schon bei etwas höheren Windstärken gelten die Barrieren schnell als wirkungslos.

"Der Golf von Mexiko ist wie eine riesige Waschmaschine, die Barrieren würden zerstört", sagt Capelotti. Deshalb gibt es einen Drei-Stufen-Plan: Soviel Öl wie möglich draußen auf dem Meer abschöpfen oder verbrennen. Was trotzdem in Ufernähe kommt, dort abfangen. Und wenn es die zähe Brühe doch an den Strand schafft: einsammeln.

Die Angst wächst

Nicht nur bei Tourismus-Managern und Fischern im nordöstlichen Teil des Golfs wächst die Angst - auch die Naturschutzbehörden sind alarmiert. Keiner wisse, wann, wo, und ob überhaupt, das Öl in den Rückzugsgebieten der Tiere zuschlägt, sagt Tom MacKenzie vom US-Fisch- und Wildschutz-Amt. "Wir sind vorbereitet", betont er. Seit Wochen schon arbeiten die Verantwortlichen Notfallpläne aus, sollte sie der Öl-Fluch treffen. Und wenn es schließlich dazu kommt? "Die Natur ist bemerkenswert zäh", sagt MacKenzie, "sie wird überleben."

Von einem Feind, der sich bewege, spricht der Küstenwacht- Reservist Pete Capelotti, wenn er an den Kampf gegen das Öl denkt. "Wer weiß schon, wieviel Öl Mutter Natur da unten verstaut hat." Im wirklichen Leben ist Capelotti in Pennsylvania Professor für Menschheitsgeschichte. Er kennt sich mit historischen Dimensionen aus. Die Schlacht um die Bucht von Mobile, erzählt der Anthropologe, gewannen im amerikanischen Bürgerkrieg die Nordstaaten. Wer wird diesmal hier unten siegen?

dpa