Es ist eine der größten Umweltkatastrophen in der US-Geschichte - und sie hat gerade erst begonnen. BP kapituliert vor seiner Ölquelle im Golf von Mexiko. Sie wird wie schon seit fünf Wochen weiter unglaubliche Mengen Gift ins Meer schießen. "Wir konnten den Ölfluss nicht stoppen", musste BP-Manager Doug Suttles in der Nacht zum Sonntag gestehen. Jetzt kann das Unternehmen nur versuchen, so viel Öl wie möglich abzufangen, bevor es noch mehr Küsten verseucht, Tiere tötet und Fischern die Existenz raubt. Amerika ist geschockt.
Mehr als fünf Millionen Liter Schlamm pumpen die BP-Techniker in das Bohrloch. Sie wollen das Öl zurückdrängen und die Quelle mit Zement verschließen. Weil es zunächst nicht klappt, mischen sie Plastikwürfel, Golfbälle und verknotete Seile in die Flüssigkeit. Das wirkt verzweifelt, aber erste Erfolgsmeldungen machen die Runde. Alle falsch. Am Tag 40 der Ölpest ist BP fast wieder ganz am Anfang. Nur das alles schlimmer ist, denn statt 700 Tonnen Rohöl, wie zunächst angenommen, fließen zwischen 1.600 und 3.400 Tonnen täglich ins Meer.
Die Angst geht um
Suttles, der Chef des operativen Geschäfts bei BP, verkündet seit Wochen mit eiserner Miene die Fortschritte und Rückschläge im Kampf gegen die Ölpest. Diesmal zeigt sein Gesicht, dass etwas gar nicht stimmt. "Es verängstigt uns alle, das wir es nicht schaffen, die Quelle zu schließen", sagt er. Angst statt Optimismus, jetzt geht es nur noch um Schadensbegrenzung.
Auch für Barack Obama, der durch die Ölpest in seine größte Krise als US-Präsident gestürzt ist. Bleibt sein Vorgänger George W. Bush ewiglich mit dem Hurrikan "Katrina" verbunden, dürfte Obama jetzt den Beinamen "Oilspill" bekommen. Kritiker werfen ihm schlechtes Krisenmanagement vor. Was aber noch schwerer wiegt: Kurz vor dem Unfall stellte er sich schützend vor die Tiefseebohrungen der Ölindustrie. Sicher und umweltverträglich seien sie. "Ich habe mich geirrt", sagt er heute.
Obamas Wankelmut
Wochenlang behandelt Obama die Ölkatastrophe wie eine Krise der anderen. BP sei verantwortlich, BP müsse die Katastrophe bewältigen, BP habe "jeden Pfennig", den die Ölpest kostet, zu bezahlen. Als die Regierung über die Rohstoffbehörde MMS hineingezogen wird, die Genehmigungen für Bohrvorhaben auf hoher See durchgewinkt hat, geißelte er die "behaglich Beziehung" zwischen den MMS-Beamten und der Ölindustrie. Dann kündigt er Reformen an. In Washington ein großes Thema.
Die Bevölkerung starrt aber nicht auf die Hauptstadt, sie schaut auf das menschliche und ökologische Drama an der Golfküste. Und dort will sie einen Präsidenten mit hochgekrempelten Ärmeln sehen. Nur einmal in fünf Wochen ließ sich Obama an der Küste in Louisiana blicken, für eine Kurzvisite. Kommentatoren fragen, warum er nach Kalifornien fliegt und Spenden sammelt, während das Land die größte Ölpest in seiner Geschichte erlebt.
Am Donnerstag dann die Wende. "Ich übernehme die Verantwortung", sagt er in einer langen Pressekonferenz. Am Freitag fliegt er noch einmal ins Krisengebiet, spricht mit verängstigten Fischern und örtlichen Politikern, nennt die Ölpest einen "Angriff auf die Menschen an der Golfküste".
Reaktion nach der Hiobsbotschaft
Obama will jetzt der Commander-in-chief sein, ein Präsident in Aktion. Er schickt dreimal mehr Helfer an die betroffenen Küsten. Nach der Hiobsbotschaft reagiert er sofort: Er, sagt Obama, habe angeordnet, dass BP nun den Versuch startet, das Öl wenigstens mit einem Behälter aufzufangen. Der gescheiterte Schlammbeschuss, sagt er dem Volk, findet er "herzzerreißend" und "entzürnend". Er werde nicht ruhen, bis diese "menschgemachte" Katastrophe beseitigt sei.
Obamas Problem - das könnte noch Monate dauern. Das Öl schwappt erst jetzt richtig an Land. Bis jetzt sind 270 Kilometer Küste und 13 Hektar Marschland verseucht, rund 470 Vögel, 220 Schildkröten und 25 Meeressäuger verendet. Die Zahlen könnten dramatisch steigen, jetzt, da das Öl fast ungehindert weiterfließt.