Jesuitenspitze trifft sich erstmals mit Missbrauchsopfern

Jesuitenspitze trifft sich erstmals mit Missbrauchsopfern
Vier Monate nach Bekanntwerden der Missbrauchsfälle an Jesuitenschulen ist die deutsche Ordensspitze am Samstag in Berlin erstmals mit Opfern zusammengetroffen.

Die knapp sechsstündige Zusammenkunft, die unter anderem von Ex-Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) moderiert wurde, verlief nach Aussage von Teilnehmern teilweise "sehr emotional". Die rund 30 anwesenden Opfer übermittelten dem Orden einen Forderungskatalog, in dem sie weitere Aufklärung, therapeutische Hilfe und finanzielle Genugtuung verlangen.

Der deutsche Jesuitenprovinzial Stefan Dartmann zeigte sich nach Abschluss des bewusst als "eckigen Tisch" benannten Treffens dankbar über die Einladung zu dem Gespräch. Zudem lehnte er die bei der nicht-öffentlichen Sitzung vorgetragenen Entschädigungsforderungen nicht mehr so entschieden ab wie noch zwei Tage zuvor bei der Vorlage des Abschlussberichts der Missbrauchsbeauftragten des Ordens, Ursula Raue.

Weitere Ermittlungen am Aloisiuskolleg

Dartmann kündigte ferner an, dass die Jesuiten in den nächsten Tagen eine weitere Persönlichkeit mit Ermittlungen über Missbrauchsfälle am Bonner Aloisiuskolleg beauftragen werden. Die frühere Bundesgesundheitsministerin Fischer nimmt diese Aufgabe auf Vorschlag der Opfer bereits seit vergangener Woche für das Berliner Canisius-Kolleg wahr. Die dort Ende Januar bekanntgewordenen Fälle, die im Gegensatz zu anderen Einrichtungen mehrere Jahrzehnte zurückliegen, hatten den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche ins Rollen gebracht. Laut Abschlussbericht der Berliner Rechtsanwältin Raue haben sich beim Orden bundesweit bislang 205 Opfer gemeldet.

Inwieweit der "Eckige Tisch", der sich als Kontrast zu dem von der Bundesregierung eingesetzten "Runden Tisch" versteht, fortgesetzt wird, blieb unklar. Beide Seiten wollen die geführten Gespräche zunächst intern bewerten. Von Opferseite wurde allerdings deutlich gemacht, dass der Orden in den nächsten Wochen ein deutliches Signal auch in der Entschädigungsfrage werde setzen müssen, um juristische Klagen abzuwenden. Einige der Opfer haben bereits mindestens eine Berliner Anwaltskanzlei mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt.

epd