Finanzsteuer bringt keine guten Aussichten für die Armen

Finanzsteuer bringt keine guten Aussichten für die Armen
Die Situation entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Viele Jahre lang hatten Globalisierungskritiker wie etwa die Organisation Attac für die Einführung einer internationalen Steuer auf Finanzspekulationen gekämpft. Unermüdlich hatten die Aktivisten diskutiert, formuliert, demonstriert. Eine der wichtigsten Forderungen: Die Einnahmen aus der Steuer sollten zur Bekämpfung der Armut in der Welt verwendet werden. Jetzt kommt die Steuer - von Armut ist aber keine Rede.
26.05.2010
Von Isabel Guzmán

Heute ist die Finanztransaktionssteuer in aller Munde. Die globale Krise und der öffentliche Druck gaben der Idee unerwarteten Auftrieb. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und viele andere EU-Politiker bezeichnen die Steuer als wirksames Mittel zur Zähmung der Finanzmärkte. Einzig: Über Konzepte zur Armutsbekämpfung redet in der Spitzenpolitik gerade kaum jemand.

"Die Finanzminister sehen im Moment vor allem ihre roten Zahlen", sagt Jutta Sundermann vom Attac-Koordinierungskreis. Sollte die Steuer je Realität werden, würde sie alle möglichen Begehrlichkeiten wecken, ist sie überzeugt. Die Entwicklungshilfe würde wohl weit hinten kommen. "Dabei leiden die armen Länder schwer unter der Krise, ohne dass sie mitgezockt hätten", so die Mitgründerin der deutschen Attac-Sektion.

Steuern haben keinen expliziten Verwendungszweck

Das Bundesfinanzministerium hält sich bedeckt. "Eine Steuer ist so definiert, dass ihr gerade kein expliziter Verwendungszweck gegenübersteht", sagt ein Sprecher dem epd. "Für eine Ausgestaltung mit einem bestimmten Verwendungszweck, die dann den Charakter einer Abgabe hätte und keine Steuer mehr wäre, hat sich der Minister nicht ausgesprochen."

"Wir waren von vornherein nicht naiv", sagt Peter Lanzet, Finanzexperte beim Evangelischen Entwicklungsdienst (EED). Er gehört zu den Erstunterzeichnern der zivilgesellschaftlichen Kampagne "Steuer gegen Armut". Momentan stellt Lanzet bei keiner politischen Partei den Willen fest, mit Mitteln des Bundeshaushalts früher gemachte Versprechen zur Armutsbekämpfung und Entwicklung einzuhalten.

Deutschland hat bereits 1970 vor den Vereinten Nationen zugesagt - ebenso wie alle anderen Industrieländer außer den USA - seine Ausgaben für die Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern. Dieses Ziel will auch Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) bis 2015 erreichen. "Dafür müssen pro Jahr etwa zwei Milliarden Euro mobilisiert werden", sagt Lanzet.

Finanztransaktionssteuer könnte Entwicklungshilfeziel finanzieren

Doch woher dieses Geld kommen soll, ist im Moment mehr als unklar. Eine Steuer auf Finanztransaktionen könnte helfen: Würde sie bei 0,05 Prozent angesetzt, könne sie allein für Deutschland laut Lanzet Einnahmen von 37 Milliarden Euro jährlich bringen. Der Experte plädiert dafür, ein Viertel bis ein Drittel davon für Entwicklungszwecke zu reservieren.

Warum die Entwicklungsländer mehr Hilfe denn je brauchen, liegt für Lanzet und Sundermann auf der Hand. Die Weltbank geht davon aus, dass die Zahl der Menschen, die in extremer Armut leben, wegen der Finanzkrise in diesem Jahr um 64 Millionen steigt. Bei den UN-Entwicklungszielen für 2015, zum Beispiel der Reduzierung der Kindersterblichkeit, gab es Rückschläge.

Für die Entwicklungsländer hat sich der globale Wettbewerb weiter verschärft: "Die Wirtschaft im Süden muss mit den aufgepäppelten Volkswirtschaften des Nordens konkurrieren", sagt Sundermann. "Für Kredite und Staatsanleihen müssen viele arme Länder deutlich mehr Zinsen und Risikoabschläge zahlen als zuvor."

epd