Strategiewechsel: NPD will zurück auf die Straße

Strategiewechsel: NPD will zurück auf die Straße
Nach dem Einzug in eine Reihe deutscher Länderparlamente sucht die NPD wieder verstärkt den politischen Straßenkampf. Vor allem während der Fußball-WM wollen die Rechtsextremen auf Angriff spielen.
25.05.2010
Von Martin Moravec und Jörg Schurig

Die Provokationen sind meist gezielt, die Folgen werden nicht selten mit einem Grinsen hingenommen. Wenn die rechtsextreme NPD in den Landtagen von Sachsen und Mecklenburg- Vorpommern zu lange aus den Schlagzeilen ist, hilft sie selbst nach. In Schwerin erteilte das Parlamentspräsidium NPD-Abgeordneten seit Beginn der Legislatur 345 Ordnungsrufe, 22 Mal schloss es Provozierer wegen mehrfachen Ermahnungen schließlich von der Sitzung aus. In Dresden verließ die NPD am Mittwoch vergangener Woche geschlossen den Landtag, Fraktionschef Holger Apfel hält das Parlament für eine "pseudodemokratische Narrenbude".

Dennoch wirkte auch diese Aktion inszeniert und wie ein Beleg für das, was bei den Rechtsextremen derzeit unter dem Stichwort Strategiewechsel passiert. Ende März formulierte der sächsische NPD- Landesverband in einem internen Schreiben Grundsätze. Fazit: Die "großen Wahlschlachten" 2009 sind geschlagen, nach dem "Kampf um die Parlamente" müsse die NPD nun wieder auf die Straße zurück. Nach den Worten Apfels soll sich die Arbeit nicht mehr nur auf das "oftmals parlamentarische Klein-Klein-Spiel beschränken". Vielmehr müsse die NPD "in der Öffentlichkeit Gesicht und Flagge" zeigen. Die Straße sei wichtig, weil der NPD anderswo die Debatte verweigert werde.

Auch das Kleingedruckte lesen

Vor allem in den Tagen der Fußball-WM wollen die Rechtsextremen voll auf Angriff spielen. Inzwischen tauchte bereits ein Aufkleber auf: Der Slogan "Deutschland - Weltmeister der Herzen" soll unter Fans verteilt werden. Es gehe darum, "weiter mit positiver Sympathiewerbung um die Herzen unserer Landsleute zu kämpfen", heißt es im NPD-Deutsch. Die Linken empfahlen den Fußballfans bereits vorsorglich, bei den Aufklebern auch das Kleingedruckte zu lesen und sich nicht zum NPD-Werbeträger machen zu lassen.

Das Landesamt für Verfassungsschutz in Sachsen sieht solche Aktivitäten als Ergebnis der Strategiedebatte. Es gehe der NPD darum, Aufmerksamkeit zu erregen. Nach Ansicht von Experten versucht die Partei zugleich, verlorenes Terrain zurückzuerobern. In Sachsen hatte die NPD bei der Landtagswahl 2009 erstmals überhaupt den Wiedereinzug in ein Parlament geschafft. Sie rutschte aber von vormals 9,2 Prozent der Stimmen auf 5,6 Prozent ab. Bereits nach der Wahl von 2004 hatten "Freie Kräfte" der Partei den Rücken gekehrt, weil die "Bonzen" nun im Dienstwagen durchs Land fahren wollten. In Mecklenburg-Vorpommern, wo die NPD 2006 bei der Landtagswahl 7,3 Prozent erreichte, liegen keine aktuellen Umfragewerte vor.

Hässlicher Prolog zum "Sommermärchen"

Die Fußballszene scheint für die NPD zur Rekrutierung neuer Leute ein geeignetes Feld. Schon zur WM 2006 bot die rechtsextreme Partei den hässlichen Prolog für das später als "Sommermärchen" titulierte Event. Damals hatte die NPD einen Turnierplaner herausgegeben, auf dem ein Trikot der DFB-Auswahl mit der Nummer 25 zu sehen war. "Weiß. Nicht nur eine Trikot-Farbe! Für eine echte NATIONAL-Mannschaft!" lautete der Slogan. Die 25 trug Patrick Owomoyela, damaliger Nationalspieler mit nigerianischem Vater und dunkler Hautfarbe.

Die Methoden von NPD oder vergleichbaren Organisationen sind auch im Ligabetrieb nichts Neues. "Derzeit sind keine Tendenzen erkennbar, dass sie an Vereine andocken wollen, es wird aber immer wieder vereinzelt versucht", sagt ein Sicherheitsexperte des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV).

Wegen Volksverhetzung verurteilt

Owomoyela und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) konnten sich gegen die Hetzkampagne erfolgreich wehren. Im Hauptverfahren vom April 2009 wurde NPD-Chef Udo Voigt wegen Volksverhetzung und Beleidigung zu sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Auch in diesem Jahr gibt es einen WM- Terminplaner der NPD - nach dem Urteil gegen Voigt hat sie diesmal auf ein offene Provokation verzichtet.

dpa