Der Vatikan wertete die Erzeugung eines künstlichen Bakteriums als Erfolg für die Forschung. Der SPD-Forschungspolitiker René Röspel sagte dem epd am Freitag in Berlin, Venter habe eine große technische Leistung vollbracht. Es bleibe aber Vorsicht geboten, wenn Erbgut versetzt werde. "Man muss vor Größenwahn warnen", so Röspel.
Dem US-Biochemiker Craig Venter (s. Bild links) und seinem Team an seinem " J. Craig Venter Institute" ist es laut Medienberichten als erstem Wissenschaftler gelungen, im Labor hergestelltes künstliches Erbgut in einen Einzeller einzupflanzen und so ein künstliches Bakterium zu erzeugen. Venter, der vor zehn Jahren maßgeblich an der Entschlüsselung des menschlichen Genoms beteiligt war, spricht von einer "synthetischen Zelle". Die Arbeit wurde auf der Website der Wissenschaftszeitschrift "Science" vorgestellt.
Vatikan nennt den Fortschritt "ermutigend"
Der mit der Arbeit erreichte Durchbruch in der Gentechnik sei ein "sehr schöner Erfolg", sagte der Präsident der Päpstlichen Wissenschaftsakademie, Nicola Cabibbo, der Tageszeitung "La Repubblica" (Freitagsausgabe). Der Physiker bezeichnete das Ergebnis als "ermutigend für die wissenschaftliche Forschung".
Erzbischof Bruno Forte von der Päpstlichen Theologenkommission bekundete "Aufmerksamkeit und Sympathie der Kirche" für Venters gentechnische Experimente. Glaube und wissenschaftliche Vernunft stünden nicht im Gegensatz zueinander, erklärte der Erzbischof von Chieti-Vasto in den Abruzzen. Nach der Schaffung der Retorten-Zelle gelte es jedoch, darauf zu achten, ob die neuen technischen Möglichkeiten auch ethisch vertretbar seien, mahnte Forte. Er forderte die Nutzung der Entdeckung für Umweltschutz und verbesserte Therapien.
"Künstliches Leben" erstmal nicht in Aussicht
Der SPD-Forschungspolitiker René Röspel verwies darauf, dass Venter angekündigt habe, die Software des Lebens umzuschreiben. Bei der Versetzung von Erbgut in Einzeller gehe es um die Technikfolgenabschätzung, sagte Röspel dem epd. Man müsse klären, was solche Eingriffe für die Umwelt bedeuteten. Die synthetische Biologie sei aber ein Bereich, der sich sehr schnell entwickle.
Ethische Fragen stellten sich, wenn in das Erbgut des Menschen eingegriffen werde. Dazu Stellung zu nehmen sei eine der Aufgaben des Deutschen Ethikrats, sagte Röspel, der in der vergangenen Legislaturperiode Vorsitzender des Ethikbeirates im Bundestag war. Das Gremium ist nach der Bundestagswahl bislang nicht wieder eingerichtet worden.
Künstliche Lebewesen scheitern an ihrer Komplexität
Der Berliner Biologe und Mediziner Jens Reich sieht derzeit noch keine ethischen Probleme im Zusammenhang mit Venters Forschung. Man sei schon lange dabei, das Genom von Bakterien zu manipulieren, sagte er einem Bericht der "Berliner Zeitung" (Freitagsausgabe) zufolge. Der frühere DDR-Bürgerrechtler hält die künstliche Erzeugung von höheren Lebewesen auf absehbare Zeit nicht für realistisch. "Das scheitert schon an der Komplexität dieser Organismen", sagte Reich, der Mitglied des Deutschen Ethikrates ist.
Es gebe aber keinen Einwand dagegen, ein solches Lebewesen auch in Deutschland herzustellen, sagte der Biotechnologe Prof. Alfred Pühler von der Universität Bielefeld, Mitautor der "Stellungnahme Synthetische Biologie": "Craig Venter hat ein Genom genutzt, wie es in der Natur auch vorkommt." Er verwies darauf, dass bereits jetzt einzelne Gene in Lebewesen anderer Arten verpflanzt werden. Pühler kennt kein deutsches Labor, das an solchen synthetischen Bakterien arbeitet. Einzelne Gene würden jedoch auch in Deutschland synthetisiert und in andere Lebewesen eingesetzt.
"Biowaffen sind leichter aus der Natur zu holen"
Der Biotechnik-Kritiker Christoph Then warnte dagegen vor synthetischen Lebewesen. "Die Auswirkungen einer Verbreitung synthetischer Gene oder Organismen in der Umwelt können nicht abgeschätzt werden", mahnte der langjährige Gentechnik-Experte von Greenpeace. Er ist jetzt Geschäftsführer des Vereins Testbiotech, der die Folgen der Biotechnologie betrachtet. "Wir brauchen klare gesetzliche Verbote, um die Umwelt vor synthetischen Lebewesen und deren Genen zu schützen", forderte Then und warnte vor gefährlichen Krankheitserregern und Biowaffen.
Die Gefahr, dass mit der synthetischen Biologie Biowaffen hergestellt werden, hält Pühler aber für gering. Ziel der Forscher weltweit sei eher, die Mikroorganismen in großen Tanks ein gewünschtes Produkt herstellen zu lassen - dazu nehme man ihnen oft alle Gene weg, die für sie nicht lebenswichtig sind. "Diese Minimalzellen können in der freien Natur normalerweise nicht überleben", sagte Pühler. Er sieht hohe technische Hürden dabei, Krankheitserreger herzustellen. Die lange Evolution der Erreger könne man nicht kurzfristig am Schreibtisch nachvollziehen: "Biowaffen sind leichter aus der Natur zu holen."