Leider haben es wohl immer noch nicht alle verstanden: Der menschengemachte Klimawandel ist real. Die Wissenschaft hat daran keinen Zweifel. Und dieser Klimawandel bedroht nicht die Erde, aber die Erde, wie wir sie kennen. Wenn wir nichts tun, wird er unweigerlich zum Ende unserer Zivilisation führen, möglicherweise zum Aussterben der Menschheit. Wenn wir alle zusammenhalten, weltweit, können wir das vielleicht noch aufhalten. Vielleicht. Viel zu viel Zeit ist verbummelt worden und wird weiterhin verbummelt in der irrigen Annahme, es koste ja zu viel Geld, dieses ganze Klimagedöns, und das werde schon nicht so schlimm. Fragen Sie doch mal die Leute im Ahrtal oder in Pakistan, das zu einem großen Teil unter Wasser stand. Oder die Südseestaten Tuvalu und Kiribati, die schon erste Inseln an den steigenden Meeresspiegel verloren haben.
Die Schäden weltweit sind jetzt schon gewaltig und werden noch viel gewaltiger sein. Wir sind auf dem „Highway zur Klimahölle“, sagte UN-Generalsekretär Antonio Guterres treffend auf der UN-Klimakonferenz – und wir treten weiter aufs Gaspedal.
Einen Weg in die Zukunft zu suchen – in eine Zukunft, in der auch unsere Kinder, Enkel und Urenkel noch gut und sicher leben können – ist in meinen Augen eine ganz klare Aufgabe auch für uns als Kirche. „Kümmert euch doch ums Seelenheil der Menschen und mischt euch nicht in die Politik ein!“, so heißt es oft. Aber nein: „Seele“ und „Körper“ sind nichs getrenntes. Der Mensch gehört als eine Einheit zusammen. Unsere Sorge gilt dem ganzen Menschen. Denen, die Hilfe benötigen, welcher Art auch immer, den Kranken, Alten, Obdachlosen und und und. Und denen, die Hilfe benötigen, um in ihrer Zukunft noch leben zu können: Den Kindern. Glauben ist eben immer politisch, weil es um das Zusammenleben von Menschen geht.
Darum freut es mich sehr, dass die Synode der EKD ausgerechnet während der Klimakonferenz nun beschlossen hat, sich für ein Tempolimit einzusetzen – und für kirchliche Dienstfahrten und alle Fahrten im kirchlichen Kontext (also auch von Ehrenamtlichen!) auch gleich eines empfohlen hat: 100 auf Autobahnen, 80 auf Landstraßen. Keine allzu große Umstellung für mich – bisher hatte ich den Tempomat meines E-Autos immer bei 112 eingestellt, nun halt ein klein wenig niedriger. Wenn ich denn überhaupt mal mit dem Auto fahre.
Richtig so! Gerade der Verkehrssektor hat bei der CO2-Reduzierung am meisten aufzuholen, jede eingesparte Tonne zählt. Und selbst, wenn ein Tempolimit nicht so viel bringen sollte, wie die Fachleute sagen, ist es völlig klar, dass es einen Beitrag leisten kann – ganz abgesehen von der Verkehrssicherheit. Wenn die Politik es nicht hinkriegt, dann müssen wir von der Kirche es halt selber machen.
Auf Twitter aber scheint die Welt unterzugehen. Die böse Kirche macht gemeinsame Sache mit den Klimachaoten! Die soll doch neutral sein! Und überhaupt sich ums Seelenheil kümmern und nicht um Politik! Selbst Finanzminister Christian Lindner von der FDP schaltete sich via Twitter ein:
Wenn Organisationen wie die #EKD sich für ein #Tempolimit entscheiden, dann mögen sie das tun. Wir leben in einem freien Land. Für die Bundesregierung gibt es jedenfalls keine Veranlassung, etwas an ihrer Haltung zu verändern. Ich halte ein Tempolimit nicht für erforderlich. CL
https://twitter.com/c_lindner/status/1590723274652418048
Katrin Göring-Eckart von den Grünen und früher selbst Präses der EKD-Synode, kommentierte dazu:
Selbstverständlich sind Kirchen Lobby für die Schöpfung, lieber @c_lindner und liebe @CDU & @CSU! Sonst wären sie unglaubwürdig. Also: #Tempolimit auf der Straße, aber nicht beim Klimaschutz.
https://twitter.com/GoeringEckardt/status/1590769302335942656
Dem ist nicht mehr viel hinzuzufügen. Fahren Sie langsam. Und vor allem weniger. Mehr Fahrrad, Bus und Zug, wo’s geht. Vielleicht ein kleiner Beitrag zum Klimaschutz, aber wir brauchen jedes bisschen. Passen Sie gut auf unsere wunderbare Erde auf. Damit auch unsere Kinder und unsere Urenkel hier noch leben können.
Update 11.11. 20:38: Die Empfehlung umfasst nicht nur Dienstfahrten, sondern alle "Fahrten im kirchlichen Kontext". Oben im Text konkretisiert.