Leute, wollt ihr ewig reden?

Erinnerungskultur
Leute, wollt ihr ewig reden?
Künstliche Intelligenz macht es möglich, mit Verstorbenen zu „sprechen“

Ewigkeitssonntag. Für viele ein schwerer Tag: Wir erinnern uns an die Menschen, die wir verloren haben, besonders an die, die wir im zu Ende gehenden Kirchenjahr begraben mussten. Für viele ist es schwer, Abschied zu nehmen, loszulassen, ohne den geliebten Menschen weitermachen zu müssen.

Doch nun wird alles gut: Technik macht’s möglich. Künstliche Intelligenz spürt sich gewissermaßen in das Denken eines Menschen hinein, liest alte Chatnachrichten, Facebook-Posts und was auch immer vorhanden ist – und wird so mehr und mehr zu dem Verstorbenen, antwortet und spricht wie der Mensch, der so schmerzlich vermisst wird. Ja, sogar eine virtuelle Realität ist möglich, in der man den oder die Verstorbene sehen, anfassen und mit ihm oder ihr reden kann wie mit einem echten Menschen. Statt augmented reality – augmented eternity. Erweiterte Ewigkeit.

Ja, das geht alles. Ob es aber so gut ist? Schon Harry Potter erlebte am Spiegel Nerhegeb, der ihm seine verstorbenen Eltern zeigte, wie sehr so ein Erleben die Sehnsucht zur Sucht steigert. Bei allem Verständnis für die Versuche, einem lieben Menschen wieder zu begegnen: Es tut auf Dauer nicht gut. Und es ist auch nicht der echte Mensch – es ist ein Echo von früher, das sich nicht weiter entwickelt, das auf dem Stand von damals stehen bleibt. Wie wollen Sie mit dem Echo eines Menschen, der vor drei Jahren starb, über Corona diskutieren? Vielleicht wird eines Tages die künstliche Intelligenz auch so weit sein, dass sie neue Erfahrungen integrieren und abschätzen kann, wie ein Mensch darauf reagieren würde. Aber „echt“ wird es wohl nie sein.

Ja, es ist schmerzlich. Ja, es ist schwer. Und vielleicht tut ein einmaliges Erlebnis dieser Art auch mal gut. Aber ich glaube: Wir müssen uns dem stellen, dass Menschen uns verlassen. Dass wir sie in diesem Leben nicht mehr wiedersehen werden und alles, was uns die Technik geben kann, nur ein Schatten der Person sein kann, die wir vermissen. Was uns bleibt: Die Hoffnung darauf, dass es nicht für immer ist. Das feiern wir ja heute, am Ewigkeitssonntag.