Techno-Gottesdienste. Metal. Lila Haare und Tattoos, Skateboards und so weiter. Dafür eher weniger Orgelmusik. Die Gottesdienste in der Emmausgemeinde in Grünhöfe (Bremerhaven) sind deutlich anders als gewohnt. Die zwei jungen Pfarrer Maximilian Bode und Christopher Schlicht teilen sich die Pfarrstelle und passen ganz offensichtlich gut in den sozialen Brennpunkt.
Sie sind selbstverständlich nicht nur im Ort unterwegs, sondern auch auf Facebook und anderen sozialen Medien. Ihre Art kommt an: Die derzeit nur 40 möglichen Plätze im Gottesdienst reichen nicht mehr aus. Und wenn die beiden auf dem Skateboard im Ort unterwegs sind, werden sie angesprochen und kommen mit den Menschen ins Gespräch. Offenbar sind da die richtigen Menschen am richtigen Platz gelandet. Respekt für die Arbeit der beiden und dafür, wie sie hier ankommen!
Dabei glaube ich: Es kommt überhaupt nicht auf die lila Haare an, auf das Tattoo oder auf das Skateboard. Auch ohne diese Äußerlichkeiten würden die beiden vermutlich die Gemeinde erfrischen, neue Wege gehen, neue Menschen ansprechen, die bisher mit Kirche nichts zu tun hatten. Umgekehrt hätten sie es vermutlich in einer konservativ geprägten Gemeinde mit klassischen Kirchen- und Posaunenchören deutlich schwerer, mit der Gemeinde auf einen Nenner zu kommen. Unmöglich wäre es aber nicht, zumal es sicher auch in solchen Gemeinden Menschen gibt, die sich nach Veränderung sehnen (genau wie es umgekehrt vermutlich auch in Grünhöfe Gemeindeglieder gibt, die die jungen Pfarrer nicht ausstehen können).
Doch was ist dann das Geheimnis eines funktionierenden Gemeindeaufbaus? Da gehören natürlich ganz viele Faktoren dazu, über die sich mittlerweile Generationen von Kirchenverantwortlichen die Köpfe zerbrochen haben. Lassen wir mal die ganzen Dinge beiseite, über die ich sonst gerne rede: Gottes Geist, der dabei sein muss. Das Team der Ehrenamtlichen in der Gemeinde. Alles das. Aber heute geht‘s mal um die Hauptamtlichen. Und ich denke: Das Wichtigste ist Aufgeschlossenheit und Neugier auf die Menschen. Und, ich mag das Wort kaum nennen, denn ist ist doch ein wenig ausgelutscht heutzutage: Authentizität. Menschen, die dazu stehen, wie sie sind, und die anderen das Gefühl geben: Du bist willkommen mit deinen Stärken und deinen Schwächen und ganz besonders auch mit deinen Besonderheiten. Kurz: Menschen, bei denen man sich ernst genommen und willkommen fühlt.
Nun gelingt das natürlich nicht allen Pfarrerinnen und Pfarrern gleichermaßen gut. Denn auch wir haben ebenfalls Stärken und Schwächen. Und manche sind halt auch wirklich einfach am falschen Ort gelandet und würden in einer anderen Gemeinde aufblühen – und die Gemeinde mit ihnen.
Ich glaube, dass uns als Gemeinde und als Pfarrer/in das alte überkommene „Pfarrerbild“ manchmal nach wie vor lähmt. „Der Pfarrer“ (nicht: die Pfarrerin) als das Allroundtalent (am besten dynamisch, aber im Anzug mit Krawatte), der alles managt und macht. Davon sind wir zwar eigentlich schon weit entfernt, trotzdem scheint mir dieses Bild noch in vielen Köpfen herumzuspuken – sowohl bei den Gemeindegliedern als auch bei Kolleginnen und Kollegen. Und dann versuchen wir, irgendwie auf dieses Bild zu reagieren, ihm gerecht zu werden. Da nehme ich mich selbst überhaupt nicht aus. Dazu kommt die sowieso hohe Arbeitsbelastung in einem ganz normalen Pfarramtsalltag, die für „Besonderheiten“ kaum Luft lässt.
Vielleicht braucht es vor allem eines: Mut. Mut, etwas anders zu machen. Das überkommene Pfarrerbild hinter sich zu lassen, jedenfalls da, wo es nicht passt. Sich sozusagen aufs Skateboard zu stellen – wobei dieses Skateboard im übertragenen Sinn auch etwas ganz anderes sein kann.
Und genauso braucht es Mut, zu sagen: „Ich kann eine Sache nicht, gibt es vielleicht jemanden, der/die das besser macht?“ Solche Ansätze gibt es ja durchaus schon. Etwa die Möglichkeit, via Dienstordnung oder einfacher Absprache gewisse Arbeitsbereiche mit Kolleginnen und Kollegen zu tauschen: „Du übernimmst die Konfirmandenarbeit, ich dafür die Beerdigungen“. Dann ist vielleicht überhaupt erst mal Zeit dafür, ans eigene „Skateboard“ zu denken und erste Versuche damit zu unternehmen. Dass das möglich ist, zeigen die zwei jungen Kollegen in Grünhöfe. Und viele, viele andere, die jeweils an ihrem Ort und mit ihren eigenen Fähigkeiten engagiert mitbauen an der großen und ziemlich bunten Kirche.
Übrigens: Ich selber kann bis heute nicht Skateboard fahren.