Heute meine ich etwas anderes: Kirche hat sich in diesen Tagen an vielen Orten anders gezeigt. Sich neu erfunden. Ist neue Wege gegangen. Die Jammerei mancherorts, Kirche sei in diesen Tagen überhaupt nicht wahrzunehmen, kann ich nicht nachvollziehen. Pfarrerinnen und Pfarrer, Mitarbeitende aller Berufsgruppen, auch Ehrenamtliche haben sich an vielen Orten Gedanken darüber gemacht, was jetzt gerade möglich ist. Ein bunter Teppich von kreativen – oder manchmal auch nicht so kreativen – neuen Angeboten hat sich über Deutschland gelegt. Leseandachten wurden in Briefkästen verteilt. Tausende von Kirchen-Mitarbeitenden machten erste Erfahrungen mit Videoschnittsoftware. Telefondrähte glühten heiß, Videokonferenz-Server brachen fast zusammen, um die Besprechungen, aber auch die Gottesdienst-Feiern weiterzutransportieren.
„Kirche“ ist eben mehr als der Gottesdienst am Sonntagmorgen in diesem Gebäude, das zufällig auch „Kirche“ genannt wird. Kirche: Das sind wir alle. Und diese Kirche, die erlebe ich derzeit eher aktiver als vor der Corona-Zeit.
Für mich ist jetzt schon eine der wichtigsten Fragen: Wie viel von diesem Neuen lassen wir zu? Wie viel sind wir bereit, zuzulassen? Was wollen wir auch weiterhin aufrechterhalten und umgekehrt: Welches in Corona-Zeiten eingestellte Projekt muss gar nicht erst wieder reaktiviert werden?
Lassen wir Kirche zu – in neuen Formen, experimenteller, vorläufiger, mal langweilig, mal spritzig, mal erfolgreich, mal zum Scheitern verurteilt? Nicht alles muss ein riesengroßes Projekt sein. An manchen Orten, so auch bei uns in Schweinfurt, entstanden täglich wechselnde Telefon-Andachten. Und sie werden gut angenommen. Warum diesen Dienst nicht beibehalten, vielleicht in Zukunft nur noch ein- oder zweimal in der Woche? Livestream-Gottesdienste wurden von Menschen verfolgt, die schon lange keinen Fuß mehr in eine Kirche gesetzt haben. Warum nicht regelmäßig so etwas anbieten, vielleicht einmal im Monat? Nicht ganz so professionell wie die Fernsehgottesdienste, dafür „von hier“ und zum Mitfeiern für die Menschen vor Ort.
Bei allen Problemen, die wir derzeit haben: Vielleicht ist die Krise tatsächlich eine Chance. Wenn wir das Neue zulassen. Ich freue mich darauf.
Bleiben Sie behütet.