Weltweit gehen heute, am 15. März 2019, Hunderttausende von Jugendlichen auf die Straße, um mehr und wirksamere Klimaschutz-Maßnahmen zu fordern.
Denn: Schon die Schöpfungserzählung in 1. Mose 2 erzählt von dem grundsätzlichen Auftrag, den Gott dem Menschen gegeben hat: Er soll die Erde „bebauen und bewahren“. (1. Mose 2, 15). Oft haben wir uns da lieber auf die Formulierung der anderen Schöpfungserzählung berufen, denn in 1. Mose heißt es, wir sollten die Erde „uns untertan machen“. Nur: Auch dieses „untertan machen“ meint eben nach biblischem Verständnis kein Unterdrücken und Ausbeuten, sondern eine gute „Herrschaft“, die danach trachtet, dass es allen Untertanen gut geht, sie gedeihen können und sich entfalten können.
Und ganz davon abgesehen: Das „Seelenheil“ der Menschen ist eben nicht abtrennbar von guten, menschenwürdigen Lebensbedingungen. Darum versuchen wir, uns zu kümmern. Aus diesem Grund betreiben wir Kindertagesstätten, Krankenhäuser, Seniorenheime, Hospize und und und: Weil unser Auftrag die Nächstenliebe ist. Und weil uns deshalb die Sorge um das Wohl unserer Mitmenschen wirklich am Herzen liegt. Genau aus dem gleichen Grund engagieren wir uns beim Umwelt- und Klimaschutz. Wir haben den Auftrag, diese wunderbare Schöpfung zu „bebauen und zu bewahren“. Wir haben den Auftrag, allen Geschöpfen Gottes ein gutes Leben zu ermöglichen. Darüber, was die richtigen Konsequenzen aus diesem Auftrag sind, mag man streiten. Das mag sogar in Deutschland anders aussehen als in den direkt vom Anstieg des Meeresspiegels bedrohten Inselstaaten, in Zentralafrika wieder anders als in den USA. Aber der Auftrag bleibt: Bebauen und bewahren.
In Zeiten, in denen das mit dem Umweltschutz noch nicht so ernst genommen wurde wie heute und dafür der bedrohte Frieden im Mittelpunkt stand, formulierte die Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen 1983 in Kanada drei Forderungen, die bis heute prägend für kirchliches Handeln sind: Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Drei Forderungen, die auch inhaltlich miteinander verknüpft sind. Gerade heute sehen wir anhand der Prognosen, dass der Klimawandel die strukturelle Ungerechtigkeit noch verschärfen wird – die ersten Leidtragenden werden nicht die sein, die das meiste CO2 ausgestoßen haben. Ohne Gerechtigkeit wird es keinen Frieden geben. Und ohne Frieden und internationale Anstrengungen werden wir die Erderhitzung nicht in den Griff bekommen.
Der sogenannte „konziliare Prozess“ zur Umsetzung dieser Ziele wurde ins Leben gerufen. Nicht erst seit dieser Zeit, aber seitdem noch verstärkt, überlegen wir als weltweite Kirche, was wir zu diesen Themen beitragen können.
Gerade der tragische Flugzeugabsturz der Ethiopian-Airlines-Maschine vor einigen Tagen zeigte, wie vernetzt wir arbeiten: Unter den Toten befand sich auch Norman Tendis, ein evangelischer Pfarrer aus Österreich, der auf dem Weg war zur zur UN-Umweltkonferenz UNEP in Nairobi. Pfarrer Tendis war Berater für das ÖRK-Programm "Economy of Life". Er hatte einen Vortrag über die Schöpfungsverantwortungs-Vision der Kirche, das ökologische Engagement sowie über die aktive Beteiligung an der Frage der Klimagerechtigkeit vorbereitet. Mit ihm starben 21 weitere Mitglieder der Konferenz, deren Namen uns nicht bekannt sind. Ein schmerzhafter Verlust für die Familien, für unsere Kirchen, aber auch für die Klima-Bewegung.
Fliegen fürs Klima? Ja, manchmal ist das nicht vermeidbar. Denn unsere Welt ist zu groß, um solche Konferenzen anders zu bewältigen. Darum gibt es – sozusagen als Notlösung, aber doch funktionierend – immerhin die Möglichkeit, den eigenen CO2-Ausstoß zu kompensieren, indem man Projekte finanziert, die an anderem Ort auf der Welt zur Vermeidung von CO2 beitragen. Dafür gibt es natürlich einen kirchlichen Kompensationsfonds: Die „Klima-Kollekte“. Klingt zunächst wie Ablasshandel, aber da es dem Klima nahezu egal ist, wo auf der Welt CO2 entsteht und wo es eingespart wird, ist es tatsächlich eine gute Möglichkeit, nicht vermeidbare Flugreisen (und übrigens auch andere klimabelastende Tätigkeiten) in ihrer Auswirkung aufs Klima zu neutralisieren.
Und – was tut die Kirche darüber hinaus? Viele Synoden und andere Entscheidungsträger beraten regelmäßig über die Problematik. Kirchliche Tagungshäuser sind heutzutage oft sehr umweltschonend eingerichtet. Kirchengemeinden betreiben zertifiziertes Umweltmanagement („grüner Gockel“ bzw. „grüner Hahn“). In kirchlichen Häusern habe ich schon lange keine Verpflegung mehr bekommen, die nicht zumindest zu großen Teilen bio, fair und regional hergestellt war. Und und und.
Doch die Proteste der Jugendlichen jeden Freitag machen uns sehr schmerzhaft deutlich: Das reicht alles nicht. Wir müssen sehr viel radikaler überlegen, wir wir unser Verhalten umstellen können. Es ist gut, dass die Jugendlichen von #FridaysForFuture uns das so deutlich sagen.
Der Ökumenische Rat der Kirchen formulierte übrigens 1990 in Seoul, also wenige Jahre nach dem Beginn des konziliaren Prozesses zehn „Grundüberzeugungen“, die die Kirchen weltweit verbinden. Darin geht es um den Glauben, aber auch darum, wie sich dieser Glaube in unserer Welt zeigt. Also auch um die Bewahrung der Schöpfung (Nr. 8).
Die 9. Grundüberzeugung von Seoul geht darüber hinaus besonders auf die Kinder und Jugendlichen ein. Sie liest sich, als hätten die Verfasserinnen und Verfasser von 1990 die Proteste der Jugendlichen von heute im Blick gehabt:
„Wir bekräftigen die Würde und das Engagement der jüngeren Generation. […] Jesus zeigte eine besondere Wertschätzung für die jüngere Generation. […] Wir erkennen ihr Recht an, bei Entscheidungen, die ihr Leben und ihre Gemeinschaft betreffen, eine prophetische Stimme zu erheben. Wir bekräftigen, dass die Rechte und Bedürfnisse junger Menschen entscheidende Kriterien für die Bestimmung der Prioritäten in Bildung und Entwicklung sind. Wir werden jeder Politik oder Autorität widerstehen, welche die Rechte der jungen Generation missachtet, sie missbraucht und ausbeutet.“
Ja: Das Anliegen der Jugendlichen ist unser Anliegen als Kirche, davon bin ich überzeugt. Ich will nicht auf einen fahrenden Zug aufspringen, nein: Wir können froh sein, dass dieser Auftrag, den wir schon immer haben, nun endlich die nötige Aufmerksamkeit bekommt. Darum haben wir in unserem Dekanat unter dem Hashtag #ChurchForFuture eine Pressemitteilung verschickt, in der wir uns hinter die Jugendlichen stellen (und aus der einzelne Passagen in diesen Text eingeflossen sind). Auch im evangelischen Dekanat Pforzheim gab es eine ähnliche Stellungnahme. Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs und Sachsens evangelischer Landesbischof Carsten Rentzing lobten die Aktion.
Wir wollen die Jugendlichen nicht vereinnahmen. Sie sollen und müssen ihre Aktion selbst verantworten und durchführen. Aber wir können zeigen: Wir stehen auf der gleichen Seite in dieser Sache.
Loben und unterstützen ist allerdings nicht genug. Das sagen auch die Initiatorinnen und Initiatoren in einem lesenswerten Gastbeitrag in der FAZ: „Wir wollen eure Hoffnung nicht. Wir wollen, dass ihr euch uns anschließt“.
Wir alle werden noch sehr viel mehr und stärker dafür sorgen müssen, die Schöpfung zu bewahren. Damit diese Jugendlichen eine lebenswerte Zukunft haben. Was tun Sie dafür?