So, die Fußball-Weltmeisterschaft ist durch, und auch von der CSU hört man derzeit nicht so viel. Zeit, sich mal wieder auf die richtig wichtigen Dinge zu konzentrieren. Zum Beispiel darauf: Die evangelische Kirche hat einen Klingelbeutel mit Kartenzahlungsfunktion vorgestellt. Sieht aus wie ein klassischer Klingelbeutel (man kann auch weiterhin normales Geld, Knöpfe, Erbsen und türkische Lira reinschmeißen), hat aber zusätzlich ein Rädchen, an dem man einen Betrag einstellen kann, der dann mittels davorgehaltener Karte kontaktlos direkt vom Konto abgebucht wird. Da gehen dann aber nur Euro, keine Erbsen. Angeblich soll das Ganze demnächst noch durch eine App und weitere Service-Funktionen erweitert werden. Gerade läuft eine erste Testphase – gegen Ende des Jahres soll er in den ersten Gemeinden regulär zum Einsatz kommen.
Ja, klar. Das war natürlich schon vor ungefähr zwei Wochen und ging auch riesig durch die sozialen Medien, aber es war ja WM (und ganz nebenbei einfach beruflich viel los) und keine Zeit zum Bloggen. Das verschafft uns nun die Möglichkeit, mit ein wenig Abstand zu sammeln, was die Leute denn so darüber denken und wie sie sich geäußert haben. Mir sind grob gesagt vier Reaktionsmuster auf diese Nachricht aufgefallen.
- Kirche? Interessiert mich eh nicht!
- Kirche? Klar, die wollen sowieso nur Geld, typisch! Da sieht man‘s mal wieder!
- Ich will aber mein Geld weiter bar in den Klingelbeutel werfen, so ein neumodisches Zeug brauche ich nicht! (Wahlweise irgendwas mit Datenschutz und Anonymität der Spendenden, sicher kein ganz unwichtiges Argument.)
- Super! Endlich mal ist die Kirche bei einer Sache wirklich top auf der Höhe der Zeit! Ich bin dabei! Wann geht‘s los?
OK, mit Nummer 1 brauchen wir uns, glaube ich, nicht weiter zu beschäftigen. Höchstens in dem Sinn, dass wir fragen: Wie können wir das Interesse dieser Menschen wecken? (und nebenbei darüber nachzudenken: Warum kommentieren die das dann eigentlich, wenn es sie doch angeblich sowieso nicht interessiert?)
Zu Nummer 2 wäre vielleicht noch anzumerken, dass gerade der Klingelbeutel ja sehr häufig gar nicht für eigene Zwecke ist, sondern eben für unterstützenswerte Projekte anderswo. Und, ja, ohne Geld geht‘s halt nicht. (Gut, in manchen Gemeinden ist der Klingelbeutel immer für die eigene Gemeinde und die Kollekte am Ausgang für den bekanntgegebenen Zweck. Aber trotzdem.)
Douglas Adams stellte einmal drei Regeln über den technischen Fortschritt auf, die wohl auch für diesen Klingelbeutel zutreffen:
- Alles, was zu deiner Geburt schon existierte, ist völlig normal.
- Alles, was zwischen dem 15. und 35. Geburtstag eingeführt wurde, ist faszinierend und bahnbrechend.
- Alles, was danach kommt, ist widernatürlich.
Angesichts des üblichen Altersdurchschnitts unserer Gottesdienstgemeinden wird es also noch etliche Jahrzehnte dauern, bis der Piep-Beutel mit der kontaktlosen Bezahlmöglichkeit allgemein akzeptiert werden wird.
Ich persönlich jedenfalls finde das Ding klasse. Aber ich bin ja auch mental wohl immer noch unter 35. Manche würden wohl sagen: Kindisch. Ich gehöre auch zu denen, die bei Albert Hijn in Holland diese mobilen Scanner mitnehmen, alle Artikel selbst scannen und dann nur noch mit dem Gesamtbetrag an der automatischen Kasse auschecken. (Ja, ich weiß auch, dass ich damit kostenlos die Arbeit einer Kassiererin übernehme. Trotzdem macht es erstens Spaß (vor allem das Ka-Tsching-Geräusch, wenn man einen Angebotsartikel scannt …) und hilft zweitens, den Überblick über den Einkauf zu behalten. Mal ganz abgesehen davon, dass ich an der Kasse nicht alles nochmal auspacken muss.)
Also nochmal, ich finde diesen Piep-Beutel klasse. Sowohl aus Nutzersicht als auch aus „Betreiber“-Sicht. Als Nutzer bin ich mittlerweile dazu übergegangen, sehr viel mit Karte zu bezahlen. Von wegen „da hat man doch keine Übersicht über seine Ausgaben“: Doch, genau die habe ich. Denn die Buchungen erscheinen ja mittlerweile fast in Echtzeit in meinem online geführten Konto. In Holland, wo wir oft Urlaub machen, ist es inzwischen selbstverständlich, selbst ein Brötchen für 30 Cent mit der Karte zu bezahlen. Bargeld haben da nur noch wenige, und Geschäfte, deren Kartenleser defekt sind, hängen ein großes Schild an die Tür „geen pinnen mogelijk“ - kein „Pinnen“ (Kartenzahlung) möglich. Wir Deutschen sind da einfach etwas zurückhaltender. Wir haben auch kein so schönes Wort erfunden und aus der „PIN“ das „Pinnen“ gemacht. Bei uns hast das schön brav „Kartenzahlung“ und ist oft erst ab 10 Euro oder sonstwas möglich. Warum? Weil wir immer Bedenkenträger sein müssen? Natürlich ist es gut, sich Gedanken darüber zu machen, was Vor- und Nachteile meines Handelns sind. Auch über den Datenschutz und die Anonymität der Spende. In diesem Fall sehe ich aber fast nur Vorteile. Manchmal möchte ich gerne viel geben – habe aber nur ein paar Cent dabei. Manchmal ist mir ein Anliegen nicht so wichtig, aber unter 20 Euro ist gerade außer Kassenzetteln und Sanifair-Gutscheinen nichts in meinem Geldbeutel. Ja, früher, als ich noch klein war, lagen immer ein paar Zehnerle irgendwo in der Nähe der Tür, und wir gaben einfach immer 20 Pfennig, die wir extra für den Klingelbeutel mitgenommen hatten. Das war für mich eine feste Größe vor 30, 40 Jahren. Das war schon vor meiner Geburt so und damit völlig normal. Heute mache ich mir da schon etwas mehr Gedanken – und kann dann doch nicht das geben, was ich gern möchte. Mit Karte kann ich entscheiden. Zumal ich dann auch noch auf sehr einfache Weise die Summe der Klingelbeutelgaben als Spende bei der Steuererklärung angeben kann.
Aus Betreibersicht ist natürlich vor allem das Argument zentral: Viele Banken nehmen gar keine Münzen mehr an, jedenfalls nicht mehr kostenlos. Da gibt es Banken, die ab einer bestimmten Münzenmenge pro Münze 1 Cent Gebühr berechnen – auch für die 1-Cent-Münzen. Dazu kommt die einfachere Buchbarkeit der online-Spende. Vielleicht – aber nur vielleicht – kommt dann auch noch dazu, dass Buchungen über 20 Cent manchem doch ein wenig zu knauserig vorkommen. Ob der digitale Klingelbeutel am Ende zu einer Erhöhung der Einnahmen führen wird? Das können wir natürlich noch nicht abschätzen.
So oder so: Die Möglichkeit, Bares – oder Erbsen – zu geben, bleibt ja weiterhin erhalten. Das finde ich auch sehr schön. Und in welcher Form auch immer Sie Ihr Geld der Kirche geben: Ich werde dort, wo ich dafür verantwortlich bin, mein Bestes geben, damit dieses Geld auch genau dort ankommt, wo es gebraucht wird.
Daher: Danke für Ihre Unterstützung. Klingel, raschel, piep.