So manche Pfarrerin, mancher Pfarrer und wohl auch viele Journalisten werden sich am Ende des 31. Oktobers einen Stoßseufzer gegönnt haben: Endlich ist das alles vorbei! Natürlich, nun kommen noch diverse Ereignisse aus Luthers Leben, die man auch noch zum 500. Mal feiern könnte. Der erste Bibeldruck, Luthers Erscheinen vor dem Reichstag in Worms, die Confessio Augustana und und und. Wird sicher auch geschehen, aber wohl nicht in dieser Intensität und Ausführlichkeit.
Auch wir haben uns in diesem Blog ja ausgelassen über manche Auswüchse dieser Lutherfeiern. Über Luthernudeln und Luthertomaten, Luther hier und Luther da, Lutherallala. Und so manches groß geplante Ereignis wurde dann ja doch nicht so groß wie erwartet. Man denke an die „Kirchentage auf dem Weg“ und den Abschlussgottesdienst des Kirchentages sowie die Diskussion über Besucherzahlen, die geradezu an Trumps Inauguration erinnerte.
Und trotzdem: Vorgestern, am 31. Oktober 2017, 500 Jahre nach dem legendären Thesenanschlag, waren die Kirchen voll. Viel voller als nach all diesen miesen Nachrichten erwartet. Auch ich stand 15 Minuten vor dem Gottesdienst verblüfft vor der überfüllten Tiefgarage in der Nähe der Schweinfurter St. Johanniskirche und machte mich zusammen mit einer ganzen Autokolonne auf die Suche nach einem Parkplatz irgendwo anders. In der Kirche bekamen die vielen Zuspätkommer immerhin noch einen Stehplatz. Woanders in Deutschland hatten sie nicht so viel Glück: Mancherorts wurden Menschen wieder heimgeschickt. In Göttingen wurde der Gottesdienst einfach nach zwei Stunden nochmal wiederholt, Chöre, Musiker, Geistliche, Mesner usw. machten Überstunden. Vor der Sankt Nikolaikirche in Berlin-Spandau standen rund 300 Gläubige, die in der Kirche keinen Platz mehr finden konnten. Und kurzerhand entschied Bischof Markus Dröge, dass er drinnen UND draußen predigen wollte.
Auch in kleineren Kirchen überall in Deutschland zeigte sich das gleiche Bild. „Die Liedblätter haben nicht gereicht“ war wohl die häufigste Aussage, die ich von Kolleginnen und Kollegen dieser Tage auf Facebook und Twitter lesen konnte.
Und nun? Wie geht‘s weiter? Wie reformieren wir unsere Kirche heute? Es gibt viele Ansätze, Kirche neu zu denken. Vieles, was mir persönlich Hoffnung macht. Diesen Artikel schreibe ich auf dem Weg nach Bochum, zur dritten Akademietagung des Netzwerks Citykirchenprojekte. Eines Netzwerks von offenen Formen von Kirchen in der Stadt, das in den letzten Jahren rasant gewachsen ist und im Augenblick 112 Mitglieder in Deutschland, Österreich, Frankreich und der Schweiz hat. Nächste Woche besuche ich wieder den FreshX-Kurs in Würzburg. Fresh Expressions of Church: Eine neue Bewegung aus England, die ebenfalls neue Formen von Kirche ausprobiert. Und in meinem Heimatort Schweinfurt hat sich gerade ein neuer Bibelgesprächskreis mit Christen aus dem Iran gebildet. Vielleicht ergibt sich auch aus den Feiern zum Reformationsjubiläum ein neuer Impuls, eine neue Bewegung? Vielleicht finden wir wieder zu „reformierten“, zeitgemäßen Formen, uns miteinander über unseren Glauben, aber auch über unsere Zweifel auszutauschen?
Die vollen Kirchen von vorgestern lassen mich neu hoffen.