Wissen Sie, wofür man Kirchengebäude noch braucht außer zum Beten? Genau: Für die Kunst. Neben den Museen sind Kirchen die Orte, an denen oft ganz spannende Kunstprojekte zu sehen sind, von sehr klassisch bis hin zur absoluten Avantgarde. Die Jesuitenkirche in Wien gehört derzeit wohl ziemlich eindeutig zu letzterer Kategorie. Dort hängt nämlich – ein Stein. Nicht einfach irgend ein Stein, sondern ein riesiger Klotz. Schwebt da einfach so in der Gegend rum, als würde er jeden Moment herunterfallen.
####LINKS####Wie sagte Jesus damals? „Unter diesen Steinen will ich meine Kirche bauen“? Nein, ich glaube, die Perspektive war genau andersrum. Stein unten, Kirche oben. Also ehrlich, unter dieses, hm, Kunstobjekt würde ich mich nicht setzen, um am Gottesdienst teilzunehmen. War da nicht irgendwas mit einem Schwert des Damokles? Was mit Herunterfallen und so? Na ja, ein wenig Gottvertrauen gehört ja schon dazu, wenn man in die Kirche geht, oder nicht?
Wie die Künstlergruppe „Steinbrener/Dempf & Huber“ auf ihrer Website treffend anmerkt:
„Bei diesem Projekt handelt es sich um eine sockellose Skulptur, die das Thema Glauben und dessen bedrohlichen Momente visualisiert.“
Ja, allerdings. Mir würde aber auch ein Stein vom Herzen fallen, wenn ich unter diesem Ding wieder weg wäre.
Dabei ist das Teil gar nicht so schwer, wie es aussieht. Ist nämlich nur ein Fake-Stein. Alles nur Plastik, oder wie sie im Osten zu sagen pflegten: Plaste und Elaste aus Schkopau. Auch noch zerlegbar in sechs Teile und insgesamt gerade mal 700 Kilogramm schwer, was allerdings beim Herunterfallen auch reichen dürfte, um einige Gläubige leicht geplättet aus der Wäsche schauen zu lassen.
Ob dieser überdimensionale Legostein (zusammensetzbar! Plastik!) an Weihnachten auch als Weihnachtsbaum fungiert, so mit Kerzen drauf und Lametta dran? Wäre bestimmt allerliebst anzusehen. Und oben auf der Spitze sitzt der Weihnachtsengel, selbstverständlich auch aus Plastik. Nur bedrohlich muss er sein, wass die Cheruben ja von Berufs wegen eigentlich sind, wenn wir das auch zum Teil vergessen haben und sie zu niedlichen Goldengelchen aus Schokolade degradiert haben.
Aber aber ... Weihnachten als etwas Bedrohliches? Nun ja – sicher nicht für die Armen, Unterdrückten. Nicht für die am Rand der Gesellschaft. Aber für die Reichen, Satten, Bequemen. Für die, die genug haben und doch ihren Überfluss behalten wollen. Für die, die die anderen ausbeuten. Für die kann Weihnachten, ob Plastik oder nicht, auch bedrohlich sein. Merken Sie was? Vielleicht hat der Stein gar nicht so unrecht. Und siehe, ich verkündige euch große Freude, denn euch ist heute ein Stein geboren, welcher schwebt in der Stadt Wien, im Gotteshause der Jesuiten.
Wäre doch mal gar nicht so übel, wenn dieser Stein uns zur Umkehr aufrufen würde. Wenn die Welt ein wenig besser würde durch einen schwebenden Plastikstein.
Foto: Steinbrener/Dempf & Huber